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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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schaue auf den Tisch vor mir, dann hinüber zu der Oma und wieder zurück. Ich habe keine Ahnung, welche Pizza gedopt ist und welche nicht.
    »Stopp«, rufe ich und stürme zu der alten Dame, die mich verdutzt ansieht. »Sie dürfen diese Pizza nicht essen.«
    Oma scheint jedoch jedoch ganz und gar nicht meiner Meinung zu sein.
    »Doch, ich habe meinen Arzt sogar gefragt, ob ich Pizza essen darf – wegen meines Diabetes. Er hatte nichts dagegen.«
    »Nicht deswegen«, versuche ich zu erklären. Aber was will ich sagen? Dass dort Drogen auf dem Belag sind. Die halten mich doch entweder für bescheuert oder lassen mich wegen Dealerei festnehmen. »Aber, aber, das ist meine Pizza …«
    »Nein, is nicht Pizza fur dich, mein Freund …« Kabul-Ranschid winkt mir vom Pizzaofen aus zu. »Deine Pizza komme glei. Eine Sekund.«
    »Nein, nein, ich will keine andere. Ich will genau die hier.« Ich krame meinen Geldbeutel hervor und halte der Rentnerin einen Zehner vor die Nase. »Hier, ich kaufe Ihnen die Pizza ab.« Ich lege das Geld auf den Tisch und greife mir den Teller.
    Doch die Oma vom ausgestorbenen Stamm der Weißhaar-Indianer denkt nicht einmal daran, mir ihre Pizza zu überlassen. »Ich will meine Pizza aber nicht verkaufen, sondern selbst essen. Geben Sie meinen Teller zurück.«
    »Verdammt noch mal, ich will Ihnen doch nur helfen.«
    Durch das Gezerre und die Lautstärke errege ich erneut die Aufmerksamkeit der anderen Gäste. Und schon schiebt sich vom Nachbartisch ein dunkler Schatten voll Tattoos näher. Was mache ich nur? Ich kann Oma doch nicht in die ewigen Jagdgründe schicken. Und auch ein erneuter Tourette-Anfall hilft gegen Mundraub nur wenig, also entscheide ich schnell und instinktiv. Ich schiebe alle Pilzstückchen auf das größte Stück der bereits zerteilten Pizza und drücke es mir als Ganzes in den Mund. Aus den Augenwinkeln sehe ich bebilderte Arme auf mich zuschwingen und versuche, mit vollem Mund ein weiteres »Arschloch, Wichser, Hurensohn« herauszupressen. Doch aus meinem vollgestopften Mund segeln nur ein paar Bröckchen Peperoniwurst mit Pilzen und ein wimmernder Wortfetzen. Eine massige Hand samt Totenkopf packt mich von hinten und spielt mit mir eine Runde »Engelein, Engelein flieg« in der Erwachsenenversion. Am Ende der Flugschule ergreift mich der Höllenengel erneut am Kragen, hebt mich hoch und rüttelt mich kräftig durch. Zumindest rutscht nun so der Rest der Pizza besser in den Magen.
    »Ist mir egal, ob du nicht mehr alle Latten am Zaun hast, mein Freund. Aber Omas beklauen ist das Allerletzte. Du wirst der Dame nun auf Heller und Pfennig die Pizza bezahlen, hast du verstanden?«
    Noch während ich in der Luft schwebe, nicke ich und schlucke die letzten Pilzstücke hinunter.
    »Wollte ich sowieso. Also, was kostet die Pizza?«
    »Zwanzig Euro«, sagt die alte Dame mit einem koketten Augenaufschlag. Dafür, dass sie mir das Teil eben noch gar nicht verkaufen wollte, hat es hier in den letzten zwei Minuten einen erstaunlichen Preisanstieg gegeben.
    »Zwanzig Euro?«, frage ich kleinlaut. »Sind Sie sicher? Die kostet doch höchstens acht.«
    Doch Häuptling Silberlocke wittert ein gutes Geschäft für sich und ihren Köter.
    »Sie ist gerade im Wert gestiegen. Ups, schon wieder. Jetzt kostet sie sogar dreißig Euro.«
    »Dreißig?«
    Omi schaut den Rocker an. Er nickt der Rentnerin wohlwollend zu, noch ein wenig mehr rauszuschlagen. Und sie versteht seine Sprache.
    »Vierzig.«
    Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich rette der alten Schachtel das Leben und zahle ihr jetzt auch noch eine halbe Monatsrente dafür. Aber was will ich machen? Alles ist besser, als eine Tracht Prügel von dem Rocker zu beziehen. Also stimme ich zu, bevor die Pizzabörse noch weiter steigt.
    »Vierzig? Klar, das ist ein fairer Preis. Dürfte ich wohl runter, um an den Geldbeutel zu kommen?« Sobald ich wieder Boden unter den Füßen spüre, fingere ich missmutig einen Fünfziger aus meinen Geldbeutel hervor. »Hier, können Sie vielleicht rausgeben?«
    »Nein«, antwortet das durchtriebene Rentnerweib, nimmt sich den Schein, steht ohne weitere Worte auf und führt ihren kläffenden Köter zum Ausgang.
    Ranschid schaut etwas irritiert und ruft der Dame hinterher, dass sie noch nicht bezahlt hat.
    Doch Madame deutet, ohne einen Blick zu verlieren, auf mich. »Das übernimmt dieser Herr.«
    Für einen kurzen Moment regt sich Widerstand, dann schaue in die Augen des Rockers, die eine

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