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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Akzent streift zwischen den Ständern mit den Anzügen umher. Der Ehemann wirkt dabei so gebrechlich, dass ich kurz überlege, ob der Anzug bereits passend zur Sargfarbe gewählt wird. Kaum dass ich diesen Gedanken hege, schießt auch schon ein Verkäufer um die Ecke. Es handelt sich um die schmierig gealterte Variante von Barbies Ken. Ken kommt heute in der Sonderedition mit Einstecktuch, Seidenschal und all seiner Öligkeit auf uns zu.
    »Kann man Ihnen behilflich sein?«
    »Ja, gerne«, antwortet Falco. »Ich suche einen Anzug für mich, Größe achtundvierzig.«
    »Für einen bestimmten Anlass?«
    »Ja, für meine Hochzeit.«
    »Oh, gratuliere.«
    Ken tauscht einen flüchtigen Händedruck mit Brummelbärchen.
    »Danke.«
    »Welches Budget schwebt Ihnen denn vor?«
    »So um die tausend Euro.«
    »Was?«, entfährt es mir, und ich schrecke zurück. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Warum denn nicht? Ich heirate nur einmal, Robert.«
    »Ja, aber tausend Euro? Dafür bekommst du in manchen Ländern der Welt gleich noch die Braut dazu. Manchmal sogar zwei.«
    »Ihr Freund hat eben Stil«, antwortet Ken gekünstelt. Auf seinem Namensschild steht: Herr Blümel. Dann greift er nach einem passenden Tausend-Euro-Stoff, den eine Schaufensterpuppe samt Zylinder trägt, die keine zwei Meter von uns entfernt steht.
    »Was halten Sie von diesem hier? Klassisch mit Zylinder und Weste. Es wirkt seriös und hat doch den Charme einer gewissen Kühnheit. Ein tolles Stück von Armani. Dieser Anzug ist dieses Jahr der Renner in Mailand gewesen.«
    »Ach, schau mal, Robert, mit Zylinder. Ist ja witzig, oder?«
    »Ja«, stimme ich zu, »jedenfalls wenn du weiße Kaninchen daraus hervorzaubern willst. Denkst du nicht, dass das etwas übertrieben ist?«
    Ken Blümel findet meinen Einwand nicht ganz so amüsant. »Nicht doch. Spüren Sie nur mal die Qualität des Stoffs. Das Material besteht zu achtzig Prozent aus pakistanischem Kaschmirgarn, das in Handarbeit auf Kante gestickt wurde. Die restlichen zwanzig Prozent bestehen übrigens aus kongolesischen Kokosfasern. Das ist der letzte Schrei.«
    »Sie verkaufen Kokosnüsse für tausend Euro?«
    »Kokosfasern«, verbessert mich Ken mit einem Perlweiß-Grinsen, das erst an seinen solariumgebräunten Ohren endet. »Diese speziellen Fasern sind vor allem in den verstärkten Achselpartien mit eingewoben und unterstützen dort einen effektiven Transpirationsaustausch.«
    »Tatsächlich?« Falco scheint begeistert. Ken Blümel ebenfalls. Ich nicht.
    »Also, wenn ich schwitze, bevorzuge ich Deo anstatt Kokosnüsse.«
    »Kokosfasern«, werde ich erneut gerügt. »Aber das muss man selbst spüren. Wenn Sie vielleicht einmal hineinschlüpfen wollen. Unsere Umkleidekabinen befinden sich an der Stirnseite des Raums dort drüben.«
    »Also, du meinst eher nicht, Robert?«
    Moment, das könnte eine prima Chance für mich sein zu überprüfen, wie Falco seine Schlange parkt. Schließlich muss er auch die Hose anprobieren.
    »Na ja«, revidiere ich schnell meine Kokos-Abneigung, »probieren kann man es ja mal. Wenn Herr Blümel sagt, dass das der letzte Schrei ist.«
    Mein Penis-Versuchskaninchen nickt und geht in Richtung der Umkleidekabinen. Jetzt heißt es dranbleiben und auf den richtigen Augenblick warten, um den Vorhang aufzuziehen. Doch ausgerechnet in diesem Moment springt mir Lord Schmierigkeit in den Weg.
    »Vielleicht möchte der Herr in der Zwischenzeit selbst einen Anzug probieren?«
    Ich winke ab. »Nein danke, besser nicht. Ich reagiere allergisch auf Kokosnüsse. Und außerdem ist der Herr zufrieden mit seinem Anzugsbestand.«
    »Kokosfasern.« Ken Blümel mustert mich vom Scheitel bis zur Sohle an und scheint bezüglich meines Anzugsbestands anderer Meinung zu sein. »Wie Sie meinen.«
    Die Konversation kostete mich höchstens ein paar Sekunden, doch sie genügt, um Falco aus den Augen zu verlieren, der bereits in eine der zahlreichen Umkleidekabinen verschwunden ist.
    »Scheiße«, fluche ich. Auf jeder Seite befinden sich fünf Kabinen, die mit einem schweren Stoffvorhang vor neugierigen Blicken geschützt sind. »Wo beginne ich jetzt mit meiner Suche?« Ich entscheide mich dafür, auch hier Frau Kuhlig-Semmraus Rat zu vertrauen. Links ist cool, rechts ist schwul. Ich schaue mich um, sehe niemanden und knie mich auf den Teppichboden, um zu sehen, in welcher Kabine das Brummelbärchen brummelt. In den ersten beiden sehe ich keine Füße. In der dritten Kabine entdecke ich jedoch zwei

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