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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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wahre Prachtquanten in beigefarbenen Ökosocken.
    Das ist er. Ich warte einen weiteren Moment, bis endlich die Hose zu Boden fällt.
    Das ist meine Chance!
    Jetzt ist die Schlange frei!
    Schlachtplan: Vorhang auf, zielgerichtet der Schlange ins Antlitz schauen, Vorhang wieder zu und die nächsten achtzehn Jahre in Ruhe schlafen.
    Also los! Ich greife nach dem Vorhangstoff, ziehe ihn mit einem kräftigen Ruck zurück und starre mein strategisches Ziel an. Tatsächlich entdecke ich ganz eindeutig eine der seltenen einäugigen Kobras, die mithilfe des Gummizugs der Unterhose ihr Köpfchen ins Freie reckt. Außerdem erkenne ich noch eine weiße Feinrippunterhose und ein dazu farblich abgestimmtes Unterhemd, das schlapp über zwei greisenhaften Schultern hängt. Der Italo-Rentner schaut mich sichtlich geschockt an, und ich befürchte, dass er den Bestattungsanzug schneller zu seinem letzten Gang brauchen wird, als es ihm lieb ist.
    »Vaffanculo … cazzo … du Idiota!«
    »Ver… Verzeihung, das ist … äh …«
    Noch bevor ich den Satz zu Ende stottern kann, wird mir der Vorhang vor die Nase gezogen. Es folgen noch weitere Schimpfwörter, die ich zum Glück nicht verstehe.
    »Robert?« Eine bekannte Stimme ertönt hinter mir. Ich drehe mich um und sehe Falco vor mir. Mit Anzug und Zylinder. »Alles okay, Robert?«
    »Ja, ja … Was soll schon sein?«
    »Ich dachte, ich hätte dich gerade fluchen hören.« Er rückt den Zylinder zurecht, während ich eine weitere Antwort schuldig bleibe. »Und, wie findest du ihn?«
    »Wen?«
    »Na, den Anzug.«
    Brummelbärchen wirft sich für mich ein wenig in Pose.
    »Ach der, ja.«
    »Was ja?«
    »Na, ich sag doch … ja.«
    » Ja ist doch keine Antwort.«
    Ich hebe entschuldigend die Arme. Mir doch egal, ob du dich zum Deppen machst , denke ich, sage aber etwas anderes: »Du siehst aus wie ein Zauberer. Was willst du hören?«
    »Die Wahrheit. Kann ich den auf der Hochzeit tragen?«
    »Also … er ist zumindest … schön … schwarz.«
    »Er ist nicht schwarz. Er ist anthrazitfarben.«
    Herr Blümel stößt zu uns und applaudiert vor Begeisterung. »Wie angegossen. Der Anzug steht Ihnen fan-tas-tisch.«
    »Ja«, Falco dreht sich vor dem Spiegel mehrmals um die eigene Achse, »ich finde ihn auch sehr passend.«
    Der Barbie-Ken zupft die Kokosfasern an den Schultern und der Hose zurecht.
    »Vielleicht sollten wir doch Größe fünfzig probieren. Und ich schaue mal nach, ob wir ihn eine Idee heller auf Lager haben. Das würde Ihren Teint noch stärker unterstreichen.«
    Ken verschwindet wieder in den Tiefen des Raums. Ich muss mir schnellstens was überlegen. Der Anzugkauf ist eine gute Chance, Falcos Schlange näher zu kommen. Aber nicht hier. Nicht mit Ken Blümel an der Seite.
    »Falco, ich muss dir was sagen.«
    »Ja? Was denn?«
    »Was sagt dir der Begriff Kongo und Handarbeit?«
    Falco überlegt einen Moment, dann streicht er über den Anzugstoff.
    »Kokosfasern?«
    »Nein, noch was anderes.«
    »Was meinst du?«
    Ich schaue ihm durchdringend in die Augen. »Kinderarbeit!«
    Treffer. Brummelbärchen schlägt sich vor Schreck die Hände vor den Mund. »Du meinst, die Anzüge hier …«
    »… sind alle im Kongo von Kindern genäht. Blut klebt in deinen Achseln, Robert. Willst du das?«
    Noch bevor Ken Blümel zurück ist, stehen wir wieder im Gewusel auf der Zeil. Falco scheint noch immer ganz aufgelöst und bläst seine Wangen auf.
    »Mensch, danke, Robert.«
    »Kein Problem. Ich helfe, wo ich kann.«
    »Aber was machen wir nun? Hast du noch eine andere Idee, wo ich einen Anzug herbekommen kann?«
    O ja, die habe ich, denke ich und deute in eine der Seitenstraßen schräg gegenüber.
    »Ja, habe ich. Ein echter Geheimtipp.«

15 Sitz, Horst!
    I ch kenne das CHAINS von meinem schwulen Kumpel Hubert Scholl, den alle nur Hubsi nennen. Ich selbst war noch nie in dem Laden, doch in endlosen Erzählungen hat mich Hubsi schon auf den einen oder anderen Einkaufsbummel mitgenommen. Das CHAINS liegt nicht ohne Grund in einer Seitenstraße der Zeil und führt in seinem Warensortiment so ziemlich alles für den schwulen Mann, was man sich vorstellen kann. Vom Lack-Einteiler über Ledershorts mit Eingriff, bis zu Badehosen in Tarnoptik. Schon das Schaufenster empfängt uns mit der geballten Gay-Ästhetik des 21. Jahrhunderts.
    Eine erstaunlich kräftig gebaute Schaufensterpuppe mit Brusthaartoupet trägt eine Ledergesichtsmaske und mehr Metallketten um die behaarte Brust, als die

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