Linksträger: Roman (German Edition)
schon eine Idee.«
18 Julias Hilfe
A us zwei Gründen sitze ich nun bei Julia, einer meiner besten Freundinnen und Mutter der kleinen Frieda. Erstens ist Julia zigfache Landesmeisterin im Judo der Altersklasse über dreißig, und zweitens besitzt sie dadurch etwas, was ich gut brauchen kann. Ich habe ihr von meiner Idee mit der Kirche berichtet, worauf ihre Begeisterung sich in einem überschaubaren Rahmen hält.
»Was willst du denn ausgerechnet mit meinen Judopokalen für deine Messe?«
»Also, zunächst mal brauche ich nur einen der Pokale. Und den leihe ich mir auch nur. Ich brauch etwas für den Messwein. Ich kann den ja nicht aus dem Tetrapack saufen. Und außerdem benötige ich euch drei für meine gläubige Gemeinde morgen früh. Familien mit Kindern nimmt man alles ab. Das ist perfekt.«
Julia schüttelt vergnügt den Kopf und klatscht nebenbei einen Kinderreim mit Frieda, die dazu lauthals mitsingt.
Wer will lustige Handwerker sehen …
»Also, ich fasse zusammen. Du willst in eine Kirche einbrechen, in der du nichts verloren hast, und eine Messe halten, die du nicht halten darfst. Ist das so einigermaßen richtig zusammengefasst?«
… der muss zu uns Kindern gehen …
»Ich breche nicht ein. Kirchen stehen für alle offen. Und ich tue nur so, als ob ich eine Messe halten würde. Ich verteile ein paar Hostien an euch, und dann gehen wir alle wieder nach Hause, als wäre nichts gewesen.«
… Stein auf Stein, Stein auf Stein, das Häuschen wird bald fertig sein …
»Du hast doch einen Vollschuss, Robert. Ich bin ja nicht mal katholisch. Was ist, wenn das auffliegt? Ist das nicht illegal?«
»Nein …«
»Robert …«
»Na ja, vielleicht ein klein wenig. Aber es ist ein Notfall.«
… wer will lustige Handwerker sehen …
»Und du glaubst, dass ich mich mit meinem Kind strafbar mache und einen Teil der Kirchengemeinde spiele?«
»Genau. Ihr und die anderen. Hubsi, Emile, alle … Wir sind schon mindestens zwanzig«, schwindele ich etwas. Aber ich brauche Julia und ihre Tochter. »Also, was ist mit dir?«
… der muss zu uns Kindern gehen …
»Ich schmeiß mich weg, Robert. Such dir einen der Pokale aus. Na klar, komm ich. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mir das entgehen lasse.
… zisch, zisch, zisch; zisch, zisch, zisch, der Tischler hobelt glatt den Tisch …
19 Tief im Sonnengeflecht
I m REWE -Markt meines Vertrauens schieße ich wie Speedy Gonzales durch die Regalreihen, um mir noch schnell meine private Messe zusammenzukaufen. Und ich habe Glück. Ich finde neben den normalen Einkäufen auch beinahe alle Zutaten zu meinem Pimp-my-Abendmahl-Event. Einen Tetrapack Rotwein, ein paar Teelichter und sogar eine weiße Bierzeltgarnitur-Tischdecke aus Papier für den Altar. Einzig die Frage nach den Oblaten stellt mich vor eine beinahe unlösbare Aufgabe. Nimmt man bei den Katholiken weiße Backoblaten oder eher die Vollkornvariante? Falco weiß das bestimmt. Wenn die Sache deswegen auffliegt, drehe ich durch. Mein Herz beginnt plötzlich zu rasen, und ich bekomme Schweißausbrüche bei dem Gedanken, dass ich morgen früh in einer Kirche stehen muss, um eine Messe zu halten. Ganz klar eine Panikattacke. Was mache ich jetzt? Wer kann mir helfen? Niemand versteht mich!
Niemand?
Doch!
Eine Person gibt es, auf die ich mich verlassen kann, und ich zücke mein Handy. Es klingelt nur zwei Mal, dann meldet sich die vertraute Stimme am anderen Ende.
»Kuhlig-Semmrau.«
»Robert Süßemilch. Sie sagten, ich könnte Sie immer anrufen und fragen, wenn ich einen Rat bräuchte.«
»Herr Süßemilch. Schön, Sie zu hören. Um was geht es denn?«
»Ich glaube, ich bekomme gerade in diesem Moment eine Panikattacke.«
»Wegen des Kindes und Ihrer Vaterschaft? Oder geht es wieder um das Thema Ihres, na, Sie wissen schon … Freundes?«
»Nein, ich muss morgen früh eine Messe halten, weiß aber nicht, ob ich das hinbekomme.«
»Eine Messe … in einer Kirche?«
»Ja.«
»Sie sind Pfarrer? Das wusste ich gar nicht.«
»Nein, das ist ja das Problem.«
»Aha.« Eine kurze Pause entsteht. »Geht es Ihnen sonst gut, Herr Süßemilch?«
»Ja danke. Ich denke schon.«
»Also gut. Eine Messe. Warum auch nicht!«
»Außerdem weiß ich nicht, ob man man bei den Katholiken weiße Backoblaten nimmt oder eher diese Vollkornoblaten. Können Sie mir da vielleicht weiterhelfen?«
»Das weiß ich leider nicht. Ich bin Atheistin. Aber es gibt einige einfache Übungen zur Sammlungsatmung, mit der Sie
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