Linksträger: Roman (German Edition)
mir herüber und umarmt mich. Dabei drückt er mich fest an sich. Als er mich wieder aus seiner Umklammerung lässt, erkenne ich eine Träne in seinem Augenwinkel.
»Direkt mit den Ärmsten der Armen, genau wie Jesus es tat. Du bist so ein guter Mensch, Robert. Um ganz ehrlich zu sein, das hätte ich am Anfang nicht von dir gedacht.«
»Ich auch nicht«, entgegne ich automatisch.
»Wie meinst du das?«
»Na, ich meine zu Beginn meiner missionarischen Arbeit habe ich auch nicht für möglich gehalten, dass mir diese Sache einmal so wichtig wird.« Ich falte die Hände und schaue mit ergriffenem Blick hinauf zur Deckenleuchte, dass man meinen könnte, dass mir der Allmächtige dort gerade seine Wundmale präsentiert.
Falco nimmt wieder auf seinem Stuhl Platz und kann es immer noch nicht fassen. »Wahnsinn.«
»Ja …« Ich hebe nun auch noch meine Hände gen Deckenleuchte. »Manchmal, wenn ich nach der Messe nach Hause komme und Jana in die Arme schließe, bin ich einfach nur glücklich und beginne, vor Dankbarkeit zu weinen.«
Nora legt ihren Kopf schräg und schmachtet dahin. »Oh, wie schön. Da hast du mit Falco etwas gemeinsam. Brummelbärchen weint auch ganz oft nach den Kirchenstunden.«
Doch damit scheint Brummelbärchen ganz und gar nicht einverstanden. Spätestens mit der Suppenküche hat er mich in den Stand eines Heiligen erhoben. »Das kann man doch nicht vergleichen, Gürkchen. Robert leistet hier viel mehr. Täglich begibt er sich in die Hände Gottes und hilft den Ärmsten der Armen.«
»Täglich?«, entfährt es mir unkontrolliert, doch diesmal korrigiere ich mich sofort wieder. »Stündlich. In Gedanken bin ich immer bei meiner Gemeinde. Es nimmt mich einfach emotional total mit. All die dankbaren Augen der Armen, die Kinder, die Lieder, der Altar, der Weihrauch und … der Wein.«
Ich hebe das Glas, als wollte ich es segnen, und nippe daran. Mit dieser Aufzählung habe ich alle mir bekannten Dinge aufgelistet, die man meines Erachtens mit der katholischen Kirche verbindet. Fast hätte ich noch den Papst ins Rennen geschickt, aber ich denke, dass dieser eher selten in der Splittergruppen-Kirchengemeinde im Frankfurter Nordend zugegen sein dürfte.
»Wunderbar. Dann können wir am Sonntag doch bestimmt mal mit zu deiner Gemeinde kommen, oder?«
»Zu meiner Gemeinde?«, frage ich entsetzt.
»Ja.«
»In die Kirche?«
»Ja. Das wäre ein tolles Erlebnis und eine große Inspiration für mich, dich bei deiner Arbeit zu sehen.«
»Aber, das geht nicht. Ich, ich …« Ich stottere und suche nach einem plausiblen Grund, warum die beiden nicht in die Kirche kommen dürften. Es gibt aber keinen. Und so schaue ich zuerst Jana, dann Nora und Falco an und hebe schließlich erneut mein Glas. »Ich freue mich darauf. Willkommen in unserer Gemeinde. Amen.«
17 Herr, steh mir bei!
W as machst du da?« Jana ist aufgewacht und dreht sich zu mir um. Eine berechtigte Frage.
Ich sitze um drei Uhr morgens auf dem Boden vor dem Bett, inmitten eines Meers aus Telefonbüchern und Gemeindemitteilungen und wühle sinnfrei darin herum, bevor ich wieder auf den Monitor meines Laptops starre.
»Was mach ich da, was mach ich da?«, äffe ich meine Freundin nach. Der mangelnde Schlaf fördert ein gewisses Aggressionspotenzial. »Was glaubst du, was ich mache? Ich versuche, unseren Arsch zu retten.«
»Im Internet?«
»Ja.«
»Hat unser Arsch nicht bis morgen früh Zeit? Komm jetzt ins Bett und mach endlich das Licht aus!«
»Nein, es hat leider keine Zeit. Ich habe vorhin in der Kirchengemeinde St. Blasius angerufen und mit Pfarrer Hans-Peter Wickerlein gesprochen.«
»Um diese Uhrzeit? Warum? Was wolltest du von ihm?«
»Ich wollte wissen, ob ich am Sonntag vielleicht ausnahmsweise mal die Hostien verteilen dürfte.«
»Das ist nicht dein Ernst, oder?« Nun habe ich Janas ungeteilte Aufmerksamkeit. »Und, was hat er geantwortet?«
»Zunächst einmal hat er gefragt, ob ich wisse, wie viel Uhr wir hätten.«
»Und?«
»Kurz nach eins, habe ich geantwortet, dann war er ruhig.«
»Und was hat er zu deiner Frage mit den Hostien gesagt?«
»Dass ich das auf keinen Fall dürfe und ob ich noch bei Trost wäre. Das wäre nur speziellen Personen erlaubt, zu denen ich definitiv nicht gehöre. Und außerdem kenne er uns gar nicht und hätte uns noch nie in der Kirche gesehen.«
»Womit er recht hat.«
»Das habe ich auch gesagt und mich dafür entschuldigt. Und dann habe ich ihn gefragt, ob man ihm die Messe am
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