Linksträger: Roman (German Edition)
verlockend«, antwortet sie, und ich kann hören, wie sie dabei mit den Zähnen knirscht. »Vielen Dank.«
»Gerne. Falco hat auch schon viele neue Ideen, welche Produkte man noch kreieren könnte. Er ist so kreativ. Das sagen auch die Leute aus der Kirchengemeinde.«
»Kirche?«, frage ich nach.
Falco legt seine Gabel zur Seite und versucht, Noras Aussage zu relativieren. »Ach, ich bin dort nur passives Mitglied im Kirchenbeirat.«
»Nun sei doch nicht so bescheiden, Brummelbärchen.« Nora setzt sich auf und wirft sich in Pose. »Er kümmert sich um die Beschaffung von Spendengeldern. Dieses Jahr wird er am Apoldaer Weihnachtsmarkt handgefertigte Krippenfiguren versteigern, die er in Heimarbeit geschnitzt hat. Die Gemeinde will nun sogar eine Gasse oder eine Straße nach ihm benennen.«
Eine Straße nach ihm benennen? Nach Falco Schwanz-Gurke ? Wahrscheinlich ’ne Sackgasse … Ich schmunzele bei dem Gedanken. Jana nicht, sie faucht eher.Ihre Ader schwillt an wie der Mississippi bei Starkregen, und mit ihrer Langmut geht es sichtlich zu Ende. Ich hoffe, dass der Damm noch halten wird, und versuche ein Ablenkungsmanöver mithilfe des indischen Spinathühnchens.
»Mag jemand noch vom Palak Paneer, da ist noch ’ne Menge …«
»Robert ist auch in der Kirche tätig.«
Zu spät, Janas Geduldsfaden ist soeben gerissen.
»Was?« Vor Schreck fällt mir der Löffel aus der Hand zurück in die grüne Pampe.
»Er ist aber nicht nur passiv tätig oder schnitzt Holzfiguren für den Weihnachtsmarkt … nein.«
»Nein?«, fragt Nora.
»Nein?«, frage auch ich in Janas Richtung und ahme mit den Fingern beider Hände vergeblich mehrfach die doppelte Karmaschere nach.
»Nein. Er geht jeden Sonntag in aller Herrgottsfrühe zur Kirche, verteilt dort mit seiner mobilen Suppenküche Lebensmittel für Obdachlose und ist im Anschluss noch als Küster während der heiligen Messe tätig.«
»Ach, wirklich?« Falco zollt mir ehrlichen Respekt. »Das ist ja toll, Robert. Das hätte ich jetzt gar nicht von dir gedacht.«
»Ja, da sind die meisten überrascht. Es ist aber nur eine ganz kleine Gemeinde. So eine Art Splittergruppe. Mag noch jemand vom Palak …«
»Jeden Sonntag«, wiederholt Jana. »Also mir wäre das einfach zu früh, um ehrlich zu sein. Aber mein Schatz steht jeden Sonntagmorgen wieder auf und sagt: ›Jana, ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.‹«
Unsere Blicke treffen sich. Ich überlege, ob ich Jana unter dem Tisch treten soll. Gerade ich, der bekennende Schlafkranke, dem nichts heiliger ist als sein Schlaf. Ich zucke gleichgültig die Achseln.
»Na ja, man gewöhnt sich dran. Ich brauche nicht viel Schlaf. Also, wenn noch jemand etwas vom Palak …«
Doch jetzt zeigt sich auch Nora an meiner soeben begonnenen Tätigkeit als ehrenamtlicher Kirchenhelfer äußerst interessiert und unterbricht meine Versuche, das Thema zu wechseln.
»Und was machst du da so als Küster?«
»Als Küster? Was ich da mache?«, wiederhole ich die Frage, um mir etwas Zeit zu verschaffen. Gute Frage. Was zur Hölle macht so ein Küster? In Anbetracht der Tatsache, dass ich bis vor zwei Minuten nicht einmal die Bezeichnung Küster kannte, ist es ein Wunder, dass ich überhaupt eine Assoziation dazu finde. Es hat wohl was mit Kirche zu tun, so viel steht fest. Vorsichtig wage ich mich auf das dünne Eis.
»Nun, ich mache das wie gesagt immer am Sonntag«, beginne ich zögerlich. Damit dürfte ich relativ sicher liegen. »Frühmorgens geht es los. Manchmal schon um neun …«
Jana schüttelt beinahe unmerklich den Kopf und deutet mit ihrem Daumen heimlich nach unten.
»Acht?« Meine Antwort klingt deutlich nach einer Frage, und wieder folgt Janas Daumen. Verdammt, wie zeitig fangen diese Küster denn mit ihrer Frühschicht an? »Manchmal geht’s aber auch schon um sieben los, wenn die meisten noch schlafen …«
Jana scheint damit zufrieden. Und auch unsere beiden Gäste nicken. Nun muss ich dranbleiben.
»Also um sieben beginne ich und bereite gemeinsam mit dem Pfarrer … und den Messdienern die Dinge vor, die man so braucht … für die Messe.« Meine Antwort sorgt für wenig Euphorie, da muss ich wohl noch eine Schippe nachlegen, um glaubhaft zu wirken. »Ach ja, und mit den Obdachlosen der Suppenhilfe bilden wir danach immer noch einen kleinen Gebetskreis.«
Falco ist tief ergriffen. »Und die Suppenküche?«
»Die Suppenküche? Die, ja die … ist mir richtig ans Herz gewachsen.«
Falco steht auf, kommt zu
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