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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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wunderbar Ihr vegetatives Nervensystem positiv beeinflussen können und im Handumdrehen ruhiger werden.«
    »Was muss ich tun? Soll ich kurz vorbeikommen und mich wieder aus Ihrem Yaksessel rauspressen?«
    »Nein, nein. Wir versuchen mal etwas anderes. Ich denke, wir beginnen mit etwas Einfachem. Legen Sie sich dazu einfach auf den Boden.«
    Ich schaue mich im Supermarkt um. Zumindest bin ich gerade allein im Gang für Bad- und Haushaltsutensilien.
    »Jetzt genau hier? Ich bin hier aber im Gang für Bad- und Haushalt…«
    Weiter komme ich nicht.
    »Egal ob im Bad oder sonst wo im Haushalt, das geht überall«, unterbricht mich Frau Kuhlig-Semmrau, »Sie können diese Technik überall anwenden.«
    Erneut schaue ich mich um. Na gut. Wenn mein Mental-Guru sagt Hinlegen , dann lege ich mich hin. Sie ist der Profi und wird schon wissen, was sie tut.
    »Okay. Ich liege.«
    »Gut. Winkeln Sie nun die Beine leicht an, sodass sich Ihre Knie berühren und die Füße zwar leicht gespreizt, aber fest auf dem Boden stehen.«
    Ich gehorche, auch wenn meine eingenommene Haltung mich eher an einen Kreißsaal erinnert als an eine Entspannungsübung. Und auch die ersten Kunden, die ihre Vorräte an saugfähigem Bad- und Küchenmaterial auffrischen wollen, können meiner Bodenperformance nichts abgewinnen. Ich ernte erstaunte Blicke, lasse mich jedoch nicht davon ablenken und konzentriere mich ganz auf die Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Ich bin so weit.«
    »Das ist guuut. Nun atmen Sie ganz tief ins Sonnengeflecht.«
    »Wohin?«
    »Ins Son-nen-ge-flecht«, verdeutlicht mir Frau Kuhlig-Semmrau das Ganze häppchenweise. Verstehen kann ich es jedoch genauso wenig.
    »Wo finde ich denn Ihr Sonnengeflecht?«
    »Atmen Sie einfach ruhig durch die Nase ein, ohne dabei die Brust zu heben. Saugen Sie die Luft tief in Ihren Unterbauch. Blähen Sie ihn richtig auf.«
    Ich befolge Frau Kuhlig-Semmraus Anweisungen und pumpe meinen Bauch voll Sauerstoff, bis er prall gefüllt ist wie ein Ballon vom Schützenfest. Eine kleine Gruppe interessierter Kunden hat sich mittlerweile um mich versammelt, die mich alle gebannt anstarren. Eine ältere Dame löst sich aus dem Pulk, kommt zu mir und tippt mir auf die Schulter, während ich noch das Sonnengeflecht suche.
    »Ist Ihnen nicht gut? Soll ich Hilfe holen?«
    Ich halte mein Handy mit einer Hand zu, sodass Frau Kuhlig-Semmrau nicht mithören kann, und beruhige die Dame. »Danke, nein, mir geht es hervorragend.«
    »Ach, dann haben Sie etwas verloren? Suchen Sie etwas?«
    »Könnte man sagen. Ich bin auf der Suche nach dem Sonnengeflecht.«
    »Sonnengeflecht?« Die alte Dame richtet sich auf und schaut mich grübelnd an. »Ich glaube, da sind Sie hier falsch. Schauen Sie doch mal hinten in der Backwarenabteilung beim Mürbeteig nach. Ich glaube, da habe ich so was schon gesehen.«
    »Vielen Dank.«
    Die Rentnerin ist mit ihrer Aussage zufrieden und schiebt ihren Wagen an dem Rest der gaffenden Runde vorbei. »Er sucht nur das Sonnengeflecht«, erklärt sie.
    Die Gruppe nickt verständnisvoll und löst sich langsam auf. Das Sonnengeflecht scheint bekannter zu sein, als ich dachte. Einige zeigen in den Gang hinter mir, wieder andere schütteln den Kopf und deuten in die entgegengesetzte Richtung.
    Sonnengeflecht … beim Bircher Müsli … nein, Konserven … quatsch, Sonnenmilch … Grummel, grummel …
    »Hallo, Herr Süßemilch?«, ertönt es aus meinem Mobiltelefon.
    »Ja, ich bin noch dran, Frau Kuhlig-Semmrau. Ich war gerade nur so in mein, äh, Geflecht verstrickt.«
    »Das ist guuut. Und, was spüren Sie?«
    Meine Füße stecken unter einem Regal, mein Kopf liegt hart auf dem kalten Fliesenboden. Ich horche kurz in mein Inneres, dann antworte ich wahrheitsgetreu: »Einen kalten Arsch.«
    »Einen kalten Arsch. Okay, das kann natürlich passieren. Schließen Sie kurz die Augen, atmen Sie noch einmal tief durch, und wenn Sie die Augen wieder öffnen, sagen Sie mir, was Sie erkennen.«
    »Okay.«
    Ich befolge die Anweisungen Schritt für Schritt. Hm, was erkenne ich denn nun von dieser Perspektive aus? Ich erkenne, dass das Zehnerpaket des dreilagigen Toilettenpapiers im Angebot ist und die mittlere Neonröhre an der Decke kaputt ist. Also sage ich es auch.
    »Dreilagiges Toilettenpapier und eine defekte Neonröhre.«
    »Interessant.« Frau Kuhlig-Semmrau scheint begeistert. »Das defekte Licht symbolisiert demnach Ihre Störung des Energieflusses. Die Dreilagigkeit könnte in Ihrem Fall für

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