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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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getränkt, dass ihr Aussterben endgültig gesichert scheint. Dann rollt die Assi-Kolonne weiter.
    Jetzt bin ich an der Reihe.
    Doch gerade als ich meine Sachen auf das Band stellen will, tippt mich in Hüfthöhe etwas von hinten an.
    »Könnte ich vielleicht vor, ich habe es etwas eilig.«
    Hinter mir blinzelt mich das Körperdouble von Miss Marple an. Ich mustere Omi von oben bis unten und überlege, ob ich ihr ehrlich antworten soll, dass auch ich es eilig habe. Doch da ich für meine morgige Showmesse in der Kirche ein paar Bonuspunkte bei Gott sammeln sollte, gebe ich nach. Zumal die Rentnerin nur sehr wenige Lebensmittel in ihren knochigen Händen hält, lediglich Pumpernickel und Halbfettmargerine, damit der Cholesterinhaushalt im Lot bleibt.
    »Na klar, gehen Sie ruhig vor.«
    »Nett von Ihnen, junger Mann.«
    Doch dann geschieht das, was die Nachkriegsgeneration in unserem zerbombten Land seinerzeit überleben ließ: das Verstecken und Bunkern von Lebensmitteln.
    Miss Marple schiebt ihren Rentner-Trolley vor und zaubert Diverses daraus hervor: Obst, Gemüse, Konserven, Frischfleisch, Käse und Geflügelwurstaufschnitt, zwei Päckchen Mon Chérie und vier Underberg.
    Eins nach dem anderen wird sorgsam abgelegt.
    Und natürlich schön langsam.
    Diese Frau ist ein wandelndes Sonnengeflecht, sie beherrscht mit Sicherheit auch den neunfachen Morgengruß und kennt die fünf Tibeter persönlich.
    »Sechsunddreißig Euro vierundfünfzig, bitte.«
    Die Kassiererin hält die Hand hin, doch Omi lässt sich nicht beirren und verstaut erst mal alles sturzsicher in ihrem Trolley. Nach gefühlten sechs Stunden richtet sie sich schwerfällig wieder auf.
    »Wie bitte?«
    »Sechsunddreißig Euro vierundfünfzig, bitte.«
    Eine Greisenhand taucht in die Tiefen eines riesigen Geldbeutels, dessen Münzgeldvorrat im Anschluss immer wieder durch rhythmisches Aufschütteln zum Klimpern gebracht wird. Doch auch jeder noch so kritische Blick der Rentnerin spült nicht das gewünschte Kleingeld an die Oberfläche. Stattdessen kneift sie die Augen zusammen und schüttelt das weiße Haupthaar.
    »Also nein … Ist das hier ein Zweimarkstück?«
    »Nein«, antwortet die Kassiererin geduldig, »das ist ein Euro.«
    »Also nein …«
    Nach vier weiteren Würfen, einem Rhythmuswechsel auf Dreivierteltakt und der Umstellung auf Sommerzeit hat Omi dann die zündende Idee. »Ach, schauen Sie doch bitte mal selbst.«
    Der Geldsack klatscht auf das Rollband, dass man meinen könnte, Miss Marple hätte sich die komplette Rente in Zehncentmünzen auszahlen lassen. Die Kassiererin fingert die gewünschte Anzahl an Münzen unüberhörbar heraus, wobei sie laut zählt. Und dabei lächelt sie noch immer höflich.
    »Sechsunddreißig Euro, zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig und noch vier. So, da haben wir es doch schon.«
    »Sie müssen entschuldigen, aber ich habe heute die Brille nicht dabei.«
    »Kein Problem. So viel Zeit muss sein.«
    Nein, so viel Zeit muss nicht sein, denke ich und tippele nervös von einem Bein auf das andere.
    »Brauchen Sie den Kassenbeleg?«
    »Was?«
    »Den Kas-sen-be-leg? Brauchen Sie den?«
    »O ja, bitte.«
    Der Bon wird überreicht, und Omi macht ihren Bock startklar. Ich schiebe bereits die Rollen meines Einkaufswagens zwischen die dürren Beine der Greisin, als mir die Kassiererin hinterhältig in den Rücken fällt.
    »Sammeln Sie auch die Treuepunkte?«
    »Was?«
    Omi hält sich eine Hand an die Ohrmuschel, und wieder beginnt der Buchstabierwettbewerb.
    »Treu-e-punk-te. Sammeln Sie die?«
    »Was ist das?«
    »Das ist unser Bonussystem. Wenn Sie dreißig Punkte gesammelt haben, können Sie sich etwas aussuchen. Das bekommen Sie dann geschenkt.«
    »Was gibt’s denn als Geschenk? Eine Reise?«
    »Nein, keine Reise. Aber zum Beispiel das vierteilige Kinderbesteckset ›Teddy‹ oder den hochwertigen Edelstahltoaster ›Bombay‹ mit stufenlosem Bräunungsgrad und herausnehmbarer Krümelschublade.«
    »Was?«
    »Krü-mel-schub… Ach egal, einen Toaster!«
    »Einen Toaster? Aha. Ich hätte aber lieber eine Reise. Wissen Sie, ich war seit mehr als vierzig Jahren nicht mehr an der Ostsee. Haben Sie eine Reise an die Ostsee?«
    »Nein, nur Haushaltswaren.«
    »Na ja, auch gut. Dann nehme ich die.«
    »Also?«, fragt die Kassiererin.
    »Also was?«
    »Wollen Sie die Bonuspunkte?«
    Omi schüttelt den Kopf. »Nein, aber den Toaster nehme ich gerne.«
    »Tut mir leid, ich gebe Ihnen jetzt erst mal die

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