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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Keimvölkern auf meiner Torte begrüßen zu dürfen.
    »Dorfs vielleischd noch änne Zup sein?«
    »Eine was?«
    »Na, änne Zup. Möchten Sie noch änne?«
    Ich verstehe immer noch nicht, was der sprechende Fahrradhelm von mir will. Aber ich möchte ihn auch nicht überfordern. Nicht dass er epileptisch in die Sahnetorte abtaucht.
    »Entschuldigen Sie, Herr Gurke, ich habe Sie leider immer noch nicht verstanden. Was möchte ich?«
    Und Darth Gurke wiederholt. Mehrmalig.
    »Zup.«
    »Was?«
    »Zup.«
    »Was?«
    »Zuuu-uuup«, nun sogar mit Vokaltrennung, doch immer noch unverständlich.
    Ich schüttele den Kopf. »Eine Zup?«
    »Nu.«
    »Was ist eine Zup, Herr Gurke?«
    »Na, änne Zup-Brause.« Er deutet mit knochigem Finger auf das Etikett der 7-Up-Flasche. Jetzt versteh ich: Herr Gurke deutet die 7 auf dem Flaschenetikett fälschlicherweise für ein Z und hält somit das Ganze für eine Zup.
    »Ach so, Sie meinen, ob ich eine Seven up möchte.«
    »Ne«, Karlo schüttelt den Helm, »isch will wissen, ob Se noch was zu dringen wöllen.«
    »Ich verstehe. Klar doch, Zup. Ja gerne.«
    »Nu, sach isch doch. Sie sin ausm Westen un kennen das ni? Dä Brause hamm wer doch ausm Westen. Wo komm Se denn genau her?«
    »Aus Frankfurt am Main.«
    »Also, keen Genosse? Was tun Se denn wählen?«
    Ich überlege kurz, ob ich mit der Antwort Das Imperium vielleicht ein paar Bonuspunkte sammeln könnte. Lasse es dann aber. »Och, mal so, mal so.«
    Das gefällt Opa Karlo überhaupt nicht. Er winkt enttäuscht ab. »Noch so än Fäähnschen im Wind. Also, d’ Bardei hat immer für misch gesorchd. Da lass isch au heude no nix drauf gömmen.«
    »Das ist nett gewesen von der Partei.«
    »Isch hob fünfundvörzisch Joahre im Kombinat als Inschenöhr georbeded.«
    »Sie waren Ohrenarzt?«
    »Nä.« Opa Karlo winkt erneut ab. Dann rückt er seinen Helm zurecht. »Nüschd mid dä Ohren. Inschenöhr.«
    Jetzt glaube ich, ihn wirklich verstanden zu haben.
    »Ach, Sie waren Ingenieur?«
    »Nu, sach isch doch. Für dä VEB Thüringische Trikotagen. Sachd Ihnen das was, junger Mann?«
    »Ehrlich gesagt nicht.«
    »Nu, machd och nüschd. Zu anfangs wolld isch ja ma Massör werden im Sporterdüschdigungsheim in Drääsden damals. Oder wie heißt dä Job heude? Füß-o-derra-bäud.«
    »Physiotherapeut meinen Sie.«
    »Nu, sach isch doch.«
    »Sie scheinen ein vielseitig talentierter Mann zu sein, Herr Gurke.«
    Eigentlich würde ich es vorziehen, mich wieder meiner Schwarwälder Kirschtorte zu widmen, aber Opa Karlo setzt nach.
    »Un ob! Isch habe damals, das muss so üm säschzisch gäwäsen sein, sogar in ännem reggordverdäschdschen Film midgespield. Das Drähbuuch hat nämlisch än gans berühmder Mann geschrüben. Wissen Se, wie dä hieß?«
    Betont interessiert lege ich die Kuchengabel zur Seite.
    »Nein, sagen Sie es mir, Herr Gurke. Wie hieß er?«
    »Joachim Hasler. Da sinn Se bladd, ni wahr?«
    »Ah.« Ich nicke, denke jedoch: Joachim Hasler. Wer kennt ihn nicht? Der Virtuose unter den Drehbuchschreibern der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Der Christoph Columbus der Regisseure.
    »Dä Film hieß Wo der Zuuch nisch lange hält ün woar von der DEFA produzierd.«
    Wo der Zug nicht lange hält . Na, wenigstens der Titel beschönigt nichts. Herr Hasler schien zumindest eine gewisse Schwäche für Sarkasmus und Selbstironie gezeigt zu haben. Erneut schaue ich mich in der Apoldaer Runde um. Treffender hätte man es jedenfalls nicht ausdrücken können, und ich hoffe, dass auch mein Zug schon bald wieder abfährt.

26 Die Luzie geht ab
    S päter am Abend hat sich die Verwandtschaft im Hobbykeller des Hauses um eine altersschwache DDR-Tischtennisplatte aus Sperrholz versammelt. Dem grünen Rechteck fehlen zwei der vier Ecken, und so sieht die Platte eher nach einem Tischtennis-Sechseck aus. Dazu verteilt Nora mit ihrer Mutter Peggy ständig Schnapspralinen, von denen ich aus reiner Höflichkeit nun schon die dritte nehme.
    »Nimm ruhig noch eine, Robert, auf zwei Beinen kann man doch schlecht stehen … Hihihi-Hähähä.«
    Kampfhundlache.
    »Recht hast du, Nora«, antworte ich, und zack landet die nächste Schnapspraline in meinem Schlund. Die M&M-Version für Erwachsene beginnt mir langsam zu schmecken, und ich überlege, ob man sich mit den Dingern die Lichter ausknipsen kann. Verzweifelt genug wäre ich.
    »Hier, Robert.« Falco hält mir einen Tischtennisschläger vor die Nase, der als grobes Waschbrett für dicke

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