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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Und morgen wieder hierher?«
    »Opa Karlo leiht dir seine alte Simson.«
    »Wen?«
    »Seine Simson. Ein Mofa.«
    Bevor alle zu Bett gehen, führt mich Darth Karlo in seine Vorkriegswerkstatt und deutet in die hinterste Ecke.
    »Isch hab da än bissel dran gedrääht. Wennse den Schooogg ziehen dun, gehd dä Simson ab wie dä Luzie.«
    In Opa Karlos Werkstatt hat sich in den letzten Jahrzehnten wohl nicht viel verändert. Neben einigen Auszeichnungen der Partei befindet sich eine graue Plane in der Mitte der Scheune. Er zieht sie zurück und zeigt mir sein museumsreifes Simson-Mofa.
    »Dran gedreht? Sie haben das Mofa frisiert?«
    »Frisiert? Ne, ne, isch bin doch keen Friseur. Isch hab nur dran geschraubt.«
    »Ja, das meine ich doch.«
    »Ham Se nisch. Sie frogdn, ob isch dä Simson gegämmd hädde.«
    »Frisiert. Das bedeutet, ach, ist ja auch egal …«
    Ich kapituliere für heute. Ich will nur noch in ein Bett. Die spinnen hier doch alle. Honecker schnüffelt sich am Auspuff seine Cockerspanielschnauze schmutzig und knurrt dazu zufrieden, während sich Opa Karlo mit dem schwarzen Helm an einem Holzbalken reibt.
    »Na, dann fahre ich mal los.«
    »Nu, machen Se des. Aber schön vorsischdisch. Dä Maschine rennt wie gesaagt wie dä Luzie.«
    »Ja, das sagten Sie bereits.«
    »Ziehen Se lieber de Gurt üm dä Nieren und än Helm uffen Gobb.«
    Darth Karlo reicht mir einen unglaublich hässlichen Nierengurt und einen noch hässlicheren Helm. Ich bedanke mich, schiebe die Luzie vor die Werkstatt und versuche, sie anzulassen. Mit dem Nierengurt um die Hüften gespannt strampele ich mir aber erst mal ’ne Viertelstunde einen ab, bis die alte Mühle endlich anspringt. Ich verabschiede mich mit einem Küsschen von Jana, setze den Retro-Ossi-Helm in Himmelblau auf und höre Opa Karlo noch hinter mir den Startschuss geben.
    »Uff dä Blätze, färdsch loos.«
    Sekunden später knattere ich durch die kühle Thüringer Nacht. Das Licht der Simson zittert dabei über den Asphalt – aus Pfiffelbach heraus und in die schwarze Nacht hinein. Ich tuckere die ersten Kilometer vor mich hin und erkenne, dass nach dem Ortsausgangsschild nicht viel mehr kommt als Minusgrade. Die Kälte nimmt mit jedem Kilometer zu und wird fast unerträglich. Dazu weiß ich nicht, wie lange ich mit dem Teil bis an mein Ziel brauchen werde. Wird es noch in diesem Kalenderjahr geschehen? Wird der arktische Eisbär bis dahin ausgestorben sein? Werde ich in einem schwarzen Loch Thüringens verschwinden und mich mein eigener Enkel am anderen Ende im Hotel bereits in Empfang nehmen?
    Die Mühle läuft jedenfalls so langsam, dass Honecker mich rückwärtslaufend einholen könnte, und ich rede dabei nicht von Opa Karlos Cockerspaniel.

27 Atomarer Erstschlag in Niederroßla
    D ie Wegbeschreibung von Jana war recht übersichtlich. Die Pension Zur dicken Bäuerinsoll demnach unübersehbar am Ortseingang des Nachbardorfs Niederroßla liegen. Da nur diese eine Straße existiert, könnte ich es gar nicht verfehlen und müsste eigentlich mit dem Mofa in zehn Minuten dort sein. Das war vor einer Viertelstunde. Viel mehr machen mir jedoch die schlechte Beleuchtung und die endlosen Schlaglöcher auf der Landstraße zu schaffen, die ich immer wieder durch heldenhafte Lenkbewegungen zu umschiffen habe. Auch das Ziehen des Chokes bringt nicht den von Opa Karlo angekündigten Schub, sondern beschleunigt diese Simson-Fackel höchstens von fünfundzwanzig auf sagenhafte sechsundzwanzig Stundenkilometer. Ich hätte mir als Zugmaschine stattdessen auch eine Weinbergschnecke vor den Bock spannen können. Die versprochene Luzie will jedenfalls nicht so recht abgehen. Nach zweimaligem Wechseln von Sommer- auf Winterzeit und zurück zeichnet sich im Scheinwerferlicht vor mir schließlich doch noch eine Ortschaft ab.
    Die überschaubare Infrastruktur Niederroßlas hat den Vorteil, dass ich tatsächlich ohne Probleme die angekündigte Pension finde. Ich schalte den Motor ab, steige vom Mofa und sehe mich um. Natürlich brennt weder irgendwo ein Licht, noch deutet irgendetwas anderes auf eine menschliche Lebensform in der näheren Umgebung hin. Auch der Blick auf die umliegenden Häuser macht wenig Hoffnung auf eine humanoide Daseinsform. Vielleicht gab es ja während meiner einhundertjährigen Anreise einen atomaren Erstschlag, der alles Leben auf unserem Planeten auslöschte und von dem ich nichts mitbekommen habe?!
    Ich entscheide mich dazu, einfach an der Tür der Pension zu

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