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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Schiffssegel besser geeignet wäre. »Du kannst doch hoffentlich Tischtennis spielen, oder?«
    »Klar.« Ich nicke mit der Selbstverständlichkeit eines chinesischen Olympiasiegers. »Kein Thema. Gegen wen spiele ich?«
    Doch Brummelbärchen winkt ab. »Nicht gegen jemanden, mit allen. Wir spielen Rundlauf. Das fördert den Familienzusammenhalt.«
    »Rundlauf?«
    »Ja.«
    »Mit zehn Leuten?«
    »Ja.«
    Ich deute auf die beiden Greise am Plattenende. »Aber Opa Karlo und Tante Gerti sind doch fast blind.«
    »Tu ihnen den Gefallen, du als Küster weißt doch, wie dankbar Menschen sein können.«
    Er spielt den Kirchenjoker aus. Damit hat er natürlich einen unumstößlichen Einwand vorgebracht, dem ich nichts entgegensetzen kann.
    »Ja, stimmt.«
    Und so reihe ich mich mit meinem Vorkriegsschläger an einer der sechs Ecken hinter Nora und einer vollbusigen Cousine ein. In den nächsten zwanzig Minuten passiert nicht viel, und ich warte geduldig in der Schlange, als ob es an der nächsten Tischkante Bananen im Konsum gäbe. Ab und an versuche ich zu erkennen, ob Falco mit seinem Gemächt zufällig an einer der zahlreichen Tischkanten hängen bleibt und dies Rückschlüsse auf die Seite seiner Penisablage zulassen würde. Doch diese Gefahr besteht nicht wirklich, da alle im Raum sich mit der Langsamkeit einer Nacktschnecke fortbewegen. Auch sonst verläuft das Tischtennisspiel eher ereignisarm. Opa Karlo versucht x-mal, eine Angabe auf die Platte zu bringen, und scheitert wahlweise an Netz, Tisch oder an unüberwindbaren Koordinationshürden. Als es ihm zufälligerweise doch noch gelingt, den Ball regelkonform über die Platte zu schicken, retourniert Nora mit ähnlich geringem Talent wie ihr Großvater gegen den IKEA -Lampenschirm. In der Familie Gurke wurde die Gabe, einen Ballsport auszuüben, offensichtlich sehr viel selektiver verteilt als Brüste. So geht es Minute um Minute weiter. Zwischendurch kontrolliere ich anhand des Sonnenstands den Wochentag oder hebe meine Füße, um den einsetzenden Wurzelschlag darunter einzudämmen. Mein erster Ballkontakt findet schließlich in Minute siebenundzwanzig statt. Ich bringe eine Kinderangabe von Falco mit geschlossenen Augen und asiatischer Treffsicherheit zurück, rücke weiter und stehe im Anschluss erneut minutenlang an der nächsten Ecke.
    Das ist doch kein Tischtennis, so fliegt ja nie jemand raus. In Minute vierunddreißig reißt mir schließlich der Geduldsfaden. Als Falco mir wieder eine Vorschulangabe serviert, schmettere ich Opa Karlo mit einer krachenden Vorhand von der Sperrholzplatte und somit aus dem Spiel. Ich balle eine Beckerfaust zum Triumph. Es dürfte wohl das erste Mal in der Geschichte der Gurke-Schwanz-Rundlauf-Historie passiert sein, dass tatsächlich jemand ausscheidet. Das alles geschieht mit so hoher Geschwindigkeit, dass Opa Karlo den Schmetterschlag gar nicht sieht, allerdings spürt er die krachende Vorhand überdeutlich auf seinem Oberschenkel.
    »Aua!« Opa Karlo zuckt überrascht zurück. »Do hod misch groode was gebiegst.«
    »Mensch, Robert«, faucht mich Jana an.
    »Ja, was denn? Ich habe doch nur zurückgespielt.«
    Sofort reihen sich alle besorgt um Darth Karlo, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht.
    »Geht’s, Opi?«
    »Ei vorbibbsch, is ja forschdbar. Nu überlääbn de Scheißmüggen sogar noch dän Winder.«
    Die versammelte Gesellschaft blickt mich strafend an. Einige schütteln sogar den Kopf.
    »Nu, dann wolln wer ma lieber zu Bette, ni wahr, Vati?«, sagt Peggy und beendet damit die Runde.
    »Wo schlafen wir denn eigentlich, Jana?«
    »Ich habe meine Sachen ins Gästezimmer bei Opa in den ersten Stock gebracht. Aber da gibt es ein kleines Problem.«
    »Und das wäre?«
    »Na, wie ich schon sagte: Opa Karlo ist sehr konservativ eingestellt. Er ist der Überzeugung, dass man erst zusammen eine Nacht verbringen darf, wenn man verheiratet ist.«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    »Doch. Und das ist noch nicht alles. Dein Bett steht leider noch nicht mal hier im Haus.«
    »Was?«
    Jana nickt. »Für dich wurde in Niederroßla ein Zimmer reserviert. In einer Pension.«
    »Nieder… was? In einer … was?«, wiederhole ich aufreizend langsam. »Wollt ihr mich hier alle verarschen?«
    »Das musst du verstehen. Das ist halt so. Und es ist ja auch nur für dieses Wochenende. Ach ja, und ich brauche dein Auto. Ich muss noch ein paar Gäste nach Hause fahren.«
    »Und wie soll ich in diese Pension nach Nieder…dingsbums kommen?

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