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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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klingeln – und tatsächlich: Zu meiner Überraschung geht ein Licht im Inneren des Hauses an, und ein überaus netter Herr öffnet mir die Haustür. Es folgen die Schlüsselübergabe und unzählige Erklärungen zum Haus und dessen Hausordnung. Die Pension verfügt demnach über drei Zimmer, von denen allerdings nur eines über ein eigenes Bad verfügt. Mein Zimmer gehört leider nicht dazu. Laut Erklärung muss ich mir mein Bad mit Radislav, einem Feinmechatronik-Gastarbeiter aus Sofia teilen. Beim Begehen des gemeinschaftlichen Bads und der Toilette erkenne ich, dass Radislav, der vom Herbergsvater Radi genannt werden darf, das thüringische Essen offenbar nicht recht bekommt. Jedenfalls sprechen Klobürste und Geruchsintensität der Gemeinschaftstoilette eine allzu eindeutige Sprache.
    Na prima.
    Wir betreten mein Gästezimmer. Es ist ist kaum zwölf Quadratmeter groß, dennoch bin ich erstaunt, wie viele Feuchtflecken in solch einen kleinen Schimmelpalast passen. Später stelle ich fest, dass mein Bett bei jeder Drehung meines Körpers in einer Symphonie alten Holzes schmerzverzerrt knarrt. Wenn man sich jedoch erst mal in die Tiefen des durchgelegenen Matratzenwunders abgelassen hat, gibt es keine Wiederkehr. Man versinkt in eine stumme Parallelwelt aus Federkern und Milben. Einzig das schrille Piepen diverser Nagetiere in den Wänden des Gemäuers zeugt von einem Leben außerhalb der Federdecke. Ich piepe ebenfalls, nämlich Jana über mein Handy an und schicke ihr eine SMS :
    Robert: Das geht hier gar nicht! Die Pension ist die Hölle. Ich teile mir mein Zimmer mit Mäusen und das Bad mit einem Bulgaren mit Dünnschiss. Ich schwinge mich jetzt wieder auf mein Mofa und komme zurück. Dein Opa wird schon nix merken.
    Jana: Ich weiß nicht, Robert … Ich will da keinen Stress machen.
    Robert: Ich schleich mich heimlich durchs Fenster zu Dir rein und hau morgen vorm Frühstück wieder ab. Niemand wird was merken.
    Jana: Denkst Du wirklich, dass das gut ist?
    Robert: Ja.
    Jana: Aber sei ja leise. Es darf wirklich niemand was mitbekommen. Pass bitte auf.
    Robert: Natürlich, Du kennst mich doch.
    Jana: Eben drum.

28 Stalingrad im Rosenbeet
    V or der Pension hat sich zur Polarkälte mittlerweile noch ein kräftiger Schauer hinzugesellt, der den Ausmaßen eines zentralasiatischen Tsunamis ähnelt. Während ich die Luzie wieder abgehen lasse, prasselt mir der Regen so heftig gegen den Helm, dass ich glaube, die Apoldaer Stepptanzgruppe würde ihre neue Choreografie auf meiner Schädelplatte aufführen. Trotz der schleichenden Geschwindigkeit meines Gefährts ist es erstaunlich, wie schmerzhaft einem jeder einzelne Regentropfen doch gegen die halb erfrorenen Hände klatscht. Unter unzähligen Flüchen gebe ich der Simson die Sporen und treibe sie knatternd durch die Thüringer Nacht zurück nach Pfiffelbach. Die Fahrt dauert gut ein halbes Jahr länger, was weniger daran liegt, dass die Landstraße in der letzten Stunde verlängert wurde, als vielmehr an der Tatsache, dass dem Scheißteil durch die aufgewirbelte Straßennässe ständig die Zündkerze versagt. Mit unsäglicher Langsamkeit krieche ich weiter und erreiche mein Ziel schließlich mit abgefrorenen Händen bis zum zweiten Fingerglied. Ich stoppe zwei Häuser vor Opa Karlos Refugium auf dem gepflasterten Bürgersteig und kratze mich selbst als eine Art Mofa-Ötzi von der Simson ab.
    Aua!
    Meine Beine sind dermaßen eingefroren, dass ich selbst an den kleinen Fugen zwischen den Waschbetonplatten hängen bleibe, da ich die Füße nicht hoch genug anheben kann. Ich muss zunächst durch den Garten schleichen, um dann am Baum nach oben ins Haus zu klettern. Im Sommer bei fünfundzwanzig Grad schon schwierig, im Winter ohne Gefühl in den Fingern so gut wie unmöglich. Ich muss mich erst aufwärmen, um meine Hände und Beine wieder bewegen zu können. Helm und Nierengurt lasse ich am Lenker hängen. Geklaut wird hier bestimmt nichts. Wer sich hier nachts auf die Lauer nach Wertsachen oder Nobelkarossen legt, muss schon sehr verzweifelt sein. Ich pirsche mich mit der Grazie eines Tanzbären langsam an das Haus heran und halte vor Opa Karlos Jägerzaun inne. Ich muss mir schnellstens die Griffel auftauen, sonst kann ich das Klettern vergessen. Aber wie? Der Vorgarten verfügt über keine Fußbodenheizung, und Handschuhe habe ich auch keine dabei.
    Ich erinnere mich an einen N24-Bericht über die Soldaten im Kessel von Stalingrad, die ebenfalls gegen ihre

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