Linksträger: Roman (German Edition)
fünf Promille. Nüchtern ist das aber nicht, Herr Süßemilch.«
»Ich hatte heute Mittage einige Schnapspralinen bei Opa Karlo gegessen.«
»Da müssen Sie aber viele gegessen haben.«
»Ja, habe ich auch. Ich bin geradezu damit abgefüllt worden.«
»Stimmt das, Herr Gurke?«, wendet sich der Polizist an Opa Karlo. Natürlich, man kennt sich hier.
»Ne, den Dyben kenne isch gar ni. Nähm Se den ruhisch hart ran, Herr Wachtmeister.«
»Er sagt, er kennt Sie nicht, Herr Süßemilch.«
»Natürlich sagt er das. Er ist ja auch dement.«
»Isch? Dämänd?« Opa Karlo richtet sich den Helm und wirft sich in die Brust. »Dass isch ni lache.«
»Opa, jetzt ist es aber gut.« Gott sei Dank. Jana ist wieder zu uns gestoßen. »Komm, ich bringe dich jetzt auch zurück ins Haus. Das können wir doch, Herr Wachtmeister, oder?«
»Ja, natürlich. Wenn niemand eine Anzeige erstatten möchte, dann können Sie alle wieder nach Hause gehen. Wir regeln den Rest.«
»Danke«, antworte ich und will Jana folgen, als mich der Polizist zurückhält.
»Stopp! Sie nicht.«
»Was? Aber warum denn? Mit null Komma fünf habe ich doch kein Verbrechen begangen, und eine Anzeige liegt auch nicht vor.«
»Das stimmt. Aber wir haben hier bei Ihrem Drogentest eine Reaktion auf Psilocybin und Psilocin.«
»Was? Ich weiß nicht mal, was das ist.«
»Das ist ein psychedelischer Wirkstoff, der zum Beispiel in sogenannten Zauberpilzen vorkommt. Experimentieren Sie vielleicht doch gerne mit Drogen, Herr Süßemilch?«
30 Um des lieben Friedens willen
I hre Werte waren für eine weitere Strafverfolgung zu gering. Glück gehabt.« Der Polizist reicht mir ein Kuvert mit meinen persönlichen Wertgegenständen. Ich nicke nur und füge mich. So eine Nacht in der Zelle von Apolda macht schweigsam. »Aber lassen Sie sich besser nichts mehr zuschulden kommen, sonst behalten wir Sie das nächste Mal länger hier als nur eine Nacht. Verstanden?«
Nach den letzten Stunden in der kalten Zelle ist mein Drang auf Richtigstellung des Sachverhalts deutlich reduziert. Es soll mir recht ein, dass in Pfiffelbach Rentnerinnen mit Blendgranaten um sich werfen. Ich möchte nur noch in ein richtiges Bett. Selbst die Milben-Federdecke der Pension Zur dicken Bäuerin würde mir genügen.
»Verstanden.«
»Das will ich hoffen. Ihre Freundin wartet draußen auf dem Parkplatz auf Sie.«
Ich trete ins Freie, wo Jana mit verschränkten Armen am Auto lehnt. Sie sieht nicht glücklich aus. Der Begrüßungskuss fällt wohl heute aus.
»Sag nichts, Jana. Es war schließlich deine Idee hierherzufahren.«
»Aber es war deine Idee, heimlich zu mir zu schleichen.«
»Doch nur, weil ich dich vermisst habe. Und überhaupt mache ich das doch alles nur für dich. Ich bin nur hier, um für dich herauszufinden, ob der Kerl deiner Cousine schwul ist.«
»Ja, und selbst das schaffst du nicht.«
»Ich … ich bin dabei. So was muss man taktisch angehen.«
»Taktisch, pfff …« Jana zischt und setzt sich hinter das Lenkrad. »Gib’s doch zu, dass du noch keinen Schritt weitergekommen bist.«
Ich setze mich auf den Beifahrersitz und überlege, ob der Begriff Schritt im Zusammenhang mit meinem Auftrag nicht absichtlich so makaber von Jana gewählt wurde. Ich sage nichts. Stattdessen schnalle ich mich an und warte darauf, dass wir endlich losfahren. Doch nichts passiert. Wir sitzen stumm nebeneinander und schweigen uns für eine Minute an. Jana schaut nach vorn, ich zur Seite aus dem Auto hinaus. Ich versuche es auf dem Weg der Diplomatie, gepaart mit etwas Humor. Das funktioniert bei Jana immer.
»Lass gut sein, Jana. Wäre es vielleicht möglich, dass du deine Karmaschere dabeihast und sie gerne nutzen möchtest?«
»Drauf geschissen, Robert. Ich bräuchte schon eine Karma-Heckenschere, um diese Aggression zu kappen.«
Okay, es funktioniert fast immer.
»Was willst du von mir, Jana?«
»Was ich will?«
»Ja.«
»Das kann ich dir sagen. Du wirst dich jetzt bei Opa Karlo entschuldigen, dann essen wir zu Mittag, und im Anschluss entschuldigst du dich auch bei Tante Gerti.«
»Bei Tante Gerti?« Langsam mache ich mir Gedanken, auf welcher Seite Jana steht. »Niemals, ich hab ihr doch gar nichts getan. Sie ist doch wie ein wild gewordener Heckenschütze über mich hergefallen.«
»Um des lieben Friedens willen, Robert.« Endlich lässt Jana das Auto an, und wir rollen vom Hof der Polizeiwache. »Ist das wirklich zu viel erwartet? Nur um des lieben Friedens
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