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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Glas bereits wieder gefüllt ist und gegen die Genfer Menschenrechtskonvention verstößt. Aber was soll’s, alles für den guten Zweck und um des lieben Friedens willen. Also, Helme auf und los. Prost!

32 Jungpionier Robert
    D ie Partei, die Partei, die hat immer recht … schalala-lalala-lalala …«, intoniere ich lauthals das SED-Parteilied, als ich vierzig Minuten später breit wie ein Biberschwanz die Treppenstufen hinauftorkele. In meinen Händen halte ich voller stolz ein Schwarz-Weiß-Foto von Erich Honecker. Außerdem trage ich ein rotes Thälmann-Pionier-Halstuch.
    Ich wanke ins Wohnzimmer, wo Jana, Nora, Peggy und ein paar Cousinen samt Massenkinderhaltung um den Tisch sitzen und sich über die mangelnde Auswahl brauchbarer Umstandsmode aufregen.
    »He, Genossinnen«, säusele ich granatenvoll in die Runde und zwinkere jeder einzelnen Mutter im Raum vielsagend zu.
    Jana hat dafür offensichtlich wenig übrig. »Schatz, wir sprechen gerade darüber, dass man während der Schwangerschaft einfach keine schönen Klamotten findet. Willst du uns nicht lieber allein lassen, das ist doch sicher kein Thema für dich.«
    »Von wegen!« Ich salutiere mit dem von Opa Karlo soeben gelernten Pioniergruß. »Die Volkswirtschaft benötigt Nachwuchs. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Hicks !«
    Jana erkennt unschwer meinen Zustand und versucht umgehend, Schadensbegrenzung zu betreiben: »Ihr müsst entschuldigen, Mädels, aber ich schätze, Opi hat Robert seine Destillieranlage gezeigt.«
    »Yep, wir haben uns schön einen hinter die Kartoffel geknistert. Und weißt du was? Wir haben uns über mögliche Namen für unser Kind unterhalten. Falls wir einen Jungen bekommen, haben wir was ausgemacht.« Voller Stolz halte ich das Foto in meiner Hand in die Höhe. »Erich soll er heißen.«
    »Erich Honecker?«
    »Genau.«
    »Freut mich, dass dir der Name so gut gefällt. Aber vielleicht reden wir ein andermal darüber.«
    »Maik oder Silvio ist aber auch ganz schön.«
    »Na, schauen wir mal.«
    »Oder, oder noch besser ein Doppelname … Maik-Silvio-Erich.«
    »Eine super Idee, Robert. Aber das wäre dann kein Doppelname mehr, sondern ein Dreifachname. Ich bringe dich jetzt mal lieber in die Pension, da kannst du dich ausschlafen.«
    »Nä! Mir geht’s super, und ich fin bit … äh … bin fit. Hicks !«
    Trotz meiner überragenden Fitness wird mir heiß, und ich fächele mir mit dem Formular in meiner Hand Luft zu.
    »Sag mal, was hast du denn da eigentlich?«
    »Wo?«
    »Na, da! Der Wisch in deiner Hand. Was ist das?«
    »Ach das …« Ich halte mir den Vordruck vor die Augen. »Ja genau, das ist ja überhaupt der Oberknaller.«
    Jana nimmt mir den Vordruck aus den Händen.
    »Das ist eine Beitrittserklärung. Oh, wie schön, Robert, du bist der SED beigetreten.«
    »Ganz genau. Karlo hat mir all die Vorteile des Kommunismus erklärt. Und was soll ich sagen?! Ich hab’s begriffen. Ich kann jetzt sogar grüßen.« Ich trete vor die Damenrunde, nehme Haltung an und gehe erneut zum Gruß der Jungpioniere über. »Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Allzeit bereit …«
    »… immer bereit«, grüßen die Damen wie gelernt zurück, und Nora erweitert das Ganze sogar noch um eines ihrer gefürchteten »Hihihi-Hähähä«. Selbst Tante Peggy grüßt und winkt lächelnd ab.
    »Nur güd, dass es de Bardei schon lange nisch mehr gääben dud.«
    Die Frauengruppe nickt, und Jana tätschelt mir liebevoll die Wange.
    »So, mein lieber Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie sind ein bisschen betrunken.«
    »Nein, ich bin nicht nur ein bisschen betrunken, ich bin sogar voll wie ’ne Flasche Red Puschkin.« Wir verlassen das Zimmer, doch mein Mitteilungsbedürfnis ist noch lange nicht erloschen, und ich plappere einfach weiter. »Und überhaupt, die Russen, wusstest du, dass das unsere wahren Freunde sind, Jana?«
    »Absolut, Robert. Doch bevor du mir jetzt noch Wladimir und Nikita als Namen für unser Kind vorschlägst, fahre ich dich rüber in die Pension.«
    »Aber es ist doch noch nicht mal dunkel. Es ist helllichter Tag.«
    »Umso schlimmer. Also, halt jetzt die Klappe und steig ins Auto.«

TEIL 4 Der Ballermann des Ostens

33 Schwänze on tour
    R rrrring!
    Nur mühsam kann ich die Augen öffnen. Doch nicht nur meine Augen bereiten mir Sorgen. Ich schmecke eine ebenso interessante wie ekelhafte Mischung. Dann fällt es mir wieder ein: Kohlrouladen und Kartoffelschnaps! Schon der Gedanke daran bringt meinen Magen in Wallung.

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