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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Und die unbequeme Matratze in der Pension hat meinen Rücken in den vergangenen Stunden zu einer unbeweglichen Fleischsäule mutieren lassen.
    Rrrrring!
    Ist ja gut, ich geh ja schon dran. Ich taste zum Telefon neben dem Bett und nehme den Hörer ab.
    »Ja?«
    »Guten Morgen, Herr Süßemilch.« Es ist die Stimme des Pensionswirts.
    »Was? Wie viel Uhr ist es?«
    »Es ist sechs Uhr morgens.«
    »Warum wecken Sie mich dann?«
    »Weil hier drei Herren vor mir stehen, die Sie mitnehmen möchten.«
    Mein erster Gedanke ist die Polizei. Hat Tante Gerti etwa wieder irgendwas zusammengesponnen?
    »Welche Herren?«
    »Moment, einer der Herren möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Robert?«
    »Ja.«
    »Hi, hier ist Silvio. Zieh dich an und mach dich fertig, wir wollen gleich los.«
    »Los? Wohin denn?«
    »Wirst du schon sehen. Komm runter.«
    Keine zwanzig Minuten später stehe ich immer noch deutlich angeschädelt am Empfang der Pension, wo neben Silvio noch Maik und Falco auf mich warten. Silvio legt mir einen Arm um die Schultern und nickt den anderen zu.
    »Mensch, du siehst ja grauenhaft aus. Alles okay?«
    »Ich habe gestern mit Opa Karlo Schnaps getrunken.«
    »Kartoffelschnaps, was?«
    Ich nicke. »Ja.«
    »Da mussten wir alle schon durch. Keine Angst, du musst ja nicht fahren. Maik übernimmt das. Also, Jungs, auf geht’s nach Oberhof.«
    »Oberhof? Was will ich denn in Oberhof?«
    »Na, Falcos Junggesellenabschied feiern. Er hat uns erzählt, dass du ihn in Frankfurt in eine Stripbar mitgenommen hast. Jetzt zeigen wir dir mal, wie wir feiern. Deswegen fahren wir nach Oberhof. Da geht richtig die Post ab, dagegen kannst du dein Frankfurt vergessen.«
    Vor der Pension warten zwei weitere Überraschungen auf mich.
    1. Es hat angefangen zu schneien, und alles ist mit einer zwanzig Zentimeter dicken, weißen Schicht überzogen.
    2. Ein altes Wohnmobil steht vor mir in einer Parklücke.
    »Ist das unser Transportmittel?«
    Ich ernte zustimmendes Nicken.
    »Mir ist von Opa Karlos Kartoffelschnaps noch etwas übel. Können wir da nicht zu Fuß hin?«
    »Nein, können wir nicht. Oberhof ist über ’ne Stunde entfernt von hier. Und bei diesem Wetter dauert es bestimmt noch länger.«
    Ich wäge eine Millisekunde zwischen der angefressenen Jana, Darth Karlo, Blendgranaten-Gerti und einem Junggesellenabschied mit den Schwänzen in Oberhof ab. Ich schüttele mich kurz vor Kälte, dann ziehe ich den Reißverschluss meiner Jacke gegen den eisigen Wind nach oben und klatsche in die Hände. »Ach, was soll’s. Also los, dann mal auf nach Oberhof.«
    Wenn mir nicht schon kotzübel wäre, jetzt wäre es spätestens so weit. Denn die Fahrt nach Oberhof ist gespickt mit Kurven und Serpentinen, die mir die Magensäure bis hinauf in den Hals treiben. Ich schmecke eine Kartoffel-Kohl-Mischung heraus. Zusammen mit Falco und Silvio sitze ich hinten im Wohnmobil, während Maik das Teil über Asphalt und Schnee prügelt. Ich schaue zum Fenster hinaus und sehe die Landschaft vorbeifliegen. Unzählige kleine Ortschaften reihen sich wie eine nicht enden wollende Perlenschnur hintereinander auf. Eine davon stellt sich sogar mit einem überdimensionalen Werbebanner am Ortseingang als Heimatort von Exbiathletin Kati Wilhelm vor.
    »Ach, bevor ich es vergesse, ich habe ja noch was für uns, Jungs.« Ich drehe mich zu den beiden Brüdern um. Silvio greift nach einem Karton und zieht für jeden von uns ein pinkfarbenes T-Shirt heraus. »Das sind unsere Tour-Shirts. Schließlich feiern wir Falcos Junggesellenabschied ja nur einmal. Also, anziehen.«
    Wenn ich etwas nicht leiden kann, sind es Junggesellenabschiede mit dämlichen Spielen und Verkleidungen. Aber was will ich machen? Also streifen wir uns die pinkfarbenen Shirts über. Erst jetzt erkenne ich, dass sich auch ein Schriftzug quer über der Brust befindet.
    Schwänze on tour!!! , steht in weißen Lettern und mit drei Ausrufezeichen darauf. O Mann, ich will nach Hause! Meinetwegen fahre ich auch jede Nacht in den Spreewald auf Gurkensuche.
    Nach über einer Stunde Fahrtzeit stoppt Maik, und ich reiße die Tür auf. Endlich wieder Sauerstoff und keine Serpentinen mehr.
    »Willkommen in Oberhof, Wintersportzentrum für Biathlon, Langlauf, Skispringen und Bobfahren …« Falco breitet die Arme zum Empfang aus.
    Ich hingegen bin nicht ganz so begeistert. Wir stehen auf einem vollgepackten Parkplatz mit dem Charme eines verkaufsoffenen Sonntags bei IKEA . »Aha. Und was ist das hier?« Ich deute auf

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