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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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geweckt höre ich, wie Haustüren geöffnet werden und sich die Nachbarschaft um uns versammelt. Sehen kann ich nichts, aber ich höre Stimmen. Auch zwei bekannte sind darunter, während sich Honecker die Cockerspanielkehle aus dem Leib bellt.
    »Sach ma, Jana, isch seh zwar nisch mehr guud, aber is das ni dein Wessi-Freund? Dein zugünfdscher Ehemann?«
    »Quatsch, Opa, das ist doch nicht … Robert? Mensch, bist du das wirklich?«
    Ich drehe mich im feuchten Gras des Vorgartens langsam auf den Rücken und glaube, die Konturen eines Fahrradhelms und zwei Personen zu erkennen.
    »Ja.«
    »Was machst du da?«
    »Er hat mir wieder nachgestellt«, keift Tante Gerti dazwischen. »Als ich gerade zu Bett gehen wollte, hat er mich vom Garten aus beobachtet …«
    »Dadsäschlisch?«, fragt Opa Karlo.
    »Blödsinn«, antworte ich und taste über den feuchten Boden unter meinen Händen. »Schatz, wo bist du?«
    »Na hier, direkt vor dir. Was ist los mit dir?«
    »Diese durchgeknallte Kuh hat eine Blendgranate geworfen.«
    »Was?« Wenigstens Jana steht mir bei. Ihre Stimme klingt zumindest ehrlich entrüstet.
    »Selbstschutz«, antwortet Gerti. »Man weiß ja schließlich nie, nicht wahr?«
    Die grummelnde Zustimmung von den restlichen umstehenden Personen gibt ihr recht. Hier scheint der Wilde Westen des Ostens zu sein. Selbstjustiz wird großgeschrieben im Texas Thüringens.
    »Nein, Tante Gerti. Du kannst hier doch nicht mit den alten NVA-Beständen von Onkel Willy um dich schmeißen. Robert ist kein Sittenstrolch.«
    »Doch, ist er. Vergiss nicht, er hat mich heute Mittag schon angemacht. Ich hatte dich gewarnt, aber du hast mir ja nicht geglaubt.«
    »Das war ein Missverständnis, das habe ich Ihnen doch erklärt«, versuche ich, mich entschieden zu wehren. Jana hilft mir auf, als eine Sirene ertönt und kurz darauf zwei Polizisten die Szenerie betreten.
    »Was ist hier los?«
    »Dieser Sittenstrolch wollte mich belästigen, als ich gerade zu Bett gehen wollte. Ein Spanner.«
    Sofort braust Jana wieder auf. »Tante Gerti, jetzt hör aber auf!« Ich bin stolz auf sie.
    »Ich sage nur, wie es war.«
    »Stimmt das?«, fragt der Beamte wohl in meine Richtung. Ich kann es nicht sehen und antworte auf Verdacht.
    »Aber nein. Diese Frau ist geschätzte zweihundert Jahre alt. Was sollte ich da begaffen, wenn ich durch das Fenster spanne? Ihre Falten haben ja mehr Lamellen als die Jalousien ihrer Fenster.«
    Buhrufe und Beleidigungen der anscheinend noch immer zahlreich vertretenen Nachbarn sind die Reaktion auf meine spontane Äußerung. Ich wusste nicht, dass noch immer so viel Publikum anwesend ist.
    »Dann geben Sie uns mal Ihre Papiere.«
    »Die habe ich in meinem Geldbeutel.«
    Ich stelle mich so hin, dass der Polizist in meine Jackentasche greifen kann.
    »Sagen Sie, haben Sie sich eingenässt, Ihre Kleidung riecht etwas streng nach Urin?«
    Oh, verdammt, meine Stalingrad-Taktik. Nein, das werde ich nun nicht auch noch zugeben.
    »Wahrscheinlich lag ich gerade in Honeckers Pisse.«
    Der Polizist schaut mich erzürnt an.
    »Aha, Sie beleidigen also auch noch den früheren Staatssekretär Erich Honecker. Seien Sie froh, dass Ihnen das nicht ein paar Jahre früher über die Lippen gekommen ist, dann würde Sie die nächsten Monate nicht mehr aus dem Bau kommen.«
    »Ich meine nicht Erich Honecker, ich rede von Opa Karlos Hund.«
    Der Beamte schweigt, dann spricht er wieder in meine Richtung: »Sie machen auf mich einen etwas verwirrten Eindruck, junger Mann. Wie ich anhand Ihrer Papiere erkenne, kommen Sie aus Frankfurt.«
    »Ja.«
    »Irgendwas mit Drogen zu tun?«
    »Nein. Natürlich nicht.«
    Dass alle Leute immer glauben, dass jeder Frankfurter an der Nadel hängen müsse. Ich erwarte doch auch nicht, dass jeder Hamburger morgens vor der Arbeit mit seinem Kutter zum Krabbenfischen rausfährt oder jeder Bayer zum Frühstück ein Kilo Weißwürste vertilgt.
    »Dann haben Sie sicher auch nichts gegen einen Drogen- und Alkoholtest.«
    »Nein, machen Sie, was Sie wollen. Aber kümmern Sie sich vor allem um diese alte Dame. Die wirft mit NVA -Beständen um sich.«
    »Jetzt sind erst mal Sie dran. Kommen Sie bitte mit zum Bus.«
    »Ich bringe Tante Gerti schnell ins Haus«, sagt Jana. »Ich bin gleich wieder bei dir.«
    Während Jana Tante Gerti kurz ins Haus geleitet, folge ich dem Beamten, dessen Polizistenkontur langsam schärfer wird. Es folgt ein Drogen-Schnelltest, und einmal muss ich ins Röhrchen blasen.
    »Null Komma

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