Lipstick
selbstverständlich schloß er die Tür hinter sich und setzte sich neben mich auf den Teppich.
»Wie geht es dir?«
»Bombastisch. Wie immer.« Ich guckte auf seine Riesenfüße, die heute in den Schuhen von unserer ersten U-Bahn-Fahrt steckten.
Wir schwiegen uns eine Weile an, bevor Jan mich schließlich fragte, was ich denn so treiben würde.
»Geht dich nichts an.« Ich wußte nicht genau, wie ich seine Frage zu verstehen hatte.
Jan schummelte seine Hand auf mein Knie.
»Ich denke viel an dich«, sagte er mit belegter Stimme.
»Wie schön für dich.«
Es war albern, sich wie eine beleidigte Schülerin aufzuführen, aber ich konnte nun mal nicht anders.
»Was ist mit diesem Hans?«
»Wir treiben es.« Ich sah Jan feindselig an. »Um bei deinem Sprachgebrauch zu bleiben.«
Jan schwieg, und ich hoffte inständig, er würde gerade vor Eifersucht vergehen. Seine Finger wanderten höher; das Blut stieg mirin den Kopf, wo es total außer Kontrolle herumpuckerte. Wenn er jetzt weitermachte – ich könnte für nichts garantieren.
»Ist unten nichts los?« fragte ich harmlos und entdeckte zu meiner Zufriedenheit, daß die Tür einen Schlüssel hatte, den man sicherlich umdrehen konnte.
»Nö. Man ißt. Man frißt. Nichts für mich.«
Ich griff nach Jans Hand und schob sie ein Eckchen höher. Als hätte ich zum Kampf geblasen, beugte er sich zu mir rüber und küßte mich. Erst sanft, dann hemmungsloser, wir kippten hintenüber, und bevor ich mich versah, hatte er meinen Rock hochgeschoben. Das letzte noch unschuldige Kleid … Jetzt war schon der ganze Inhalt meines Klamottenschranks in Jans Händen gewesen.
»Was ist mit unserem Vorsatz?« fragte ich schon leicht benebelt.
»Morgen …«
Jan hielt kurz inne – vielleicht überlegte er, ob er auch wirklich das Richtige tat –, machte dann aber entschlossen weiter.
Ich war zwar mittlerweile hart im Nehmen, aber irgend etwas sträubte sich in mir. Nicht wegen Katharina oder Hans oder Greta, aber hier neben einem Mäxchen zu neunundsechzigen, das war ja wohl ziemlich geschmacklos. Wenn das arme Kerlchen nun aufwachte oder Greta hochkam, um nach ihm zu sehen – das würde ich mir nie verzeihen! Und trotzdem schob ich unserem Treiben keinen Riegel vor, agierte statt dessen mechanisch, als hätte man ein nicht zu stoppendes Computerprogramm in Gang gesetzt.
»Ich gehe vor«, sagte Jan, während er wenig später seine Hose zuknöpfte. Er grinste. »Du leuchtest wie eine Christbaumkugel!«
Er gab mir einen letzten Kuß, und schon war er draußen.
Mäxchen schlief noch immer wie ein Engel. Vermutlich würde er aufgrund der Ereignisse der letzten fünfzehn Minuten keinen größeren Schaden nehmen. Ich wartete noch eine Weile ab, schlich mich dann auch aus dem Zimmer.
Unten stürzte Katharina auf mich zu – Hans und Paul machten sich gerade voller Konzentration am Büfett zu schaffen –, sie hob ihre Hand, ließ sie aber sogleich sinken, als käme ihr gerade etwasanderes in den Sinn, und fragte mich lächelnd, ob Max auch schliefe.
»Ja«, sagte ich und hatte das schreckliche Gefühl, tomatenrot anzulaufen.
Ich schämte mich entsetzlich. Was eben eine Etage höher mit ihrem Mann passiert war – ich hätte es verhindern können, wäre ich nur ein bißchen konsequenter gewesen. Es war um so schlimmer, weil mir die Frau gefiel. Wie sie sprach, leise und zurückhaltend, dabei trotzdem selbstbewußt, hin und wieder zog sie die Nase kraus, als müsse sie gleich niesen.
»Und wie werden solche Serien gemacht?« wollte sie wissen, nachdem ich noch ein paar Platitüden über Mäxchens Schlaf abgelassen hatte. »Erfinden Sie eine Figur? Einen Handlungsstrang? Oder gleich eine ganze Folge?«
»Wollen wir uns nicht duzen?« fragte ich aus einem mir unerklärlichen Impuls zurück.
»Ja, gerne!« Katharina lächelte mich so vertrauensvoll an, daß mir klar war: Nie würde sie erfahren dürfen, was zwischen mir und ihrem Mann gelaufen war, und ich beschloß im gleichen Moment, die Fummeleien mit Jan zu lassen. Aus, Ende – es tat nicht mal weh, auch wenn ich noch Jans Geruch auf der Haut hatte.
Während Paul mir über die Schulter ein Glas Sekt anreichte, nannten Katharina und ich uns noch einmal unsere Namen, wobei ich verklemmt lächelte, dann erklärte ich Katharina brav die Machart von Seifenopern, argwöhnte gleichzeitig, daß es sie vielleicht doch nicht interessierte.
»Es gibt Storyliner, die entwerfen die Handlungsbögen, die sogenannten Outlines«,
Weitere Kostenlose Bücher