Lisa geht zum Teufel (German Edition)
hatte oder nur noch verstohlen herüberlugte, um den Gastgeber nicht zu verärgern.
»Der große Felipe in der Rolle des Siegers. Darin gefällt sich mein Vater«, sagte Andreas in einer Lautstärke, dass es auch jeder der Anwesenden hören musste. Wieder war ein gutes Dutzend entsetzter Augenpaare auf sie gerichtet.
»Vielleicht, weil es so ist«, sagte Felipe.
Lisa erschrak zunächst über seine unglaubliche Provokation und glaubte schon, den alten Felipe darin wiederzuerkennen, doch dazu wirkte er viel zu überlegt und ruhig.
»Warum forderst du mich nicht heraus? Beim Rennen?«, fuhr er fort.
Lisa ahnte sofort, was er vorhatte, und erinnerte sich an die traditionellen Pferderennen kurz nach Sonnenuntergang.
»Wenn du es so haben willst«, sagte Andreas, »dann will ich ein gehorsamer Sohn sein.« Beißender Sarkasmus, dem ein Raunen in der Menge folgte.
Felipe nickte nur. Dies war eine offene Einladung zu einem Wettkampf, dem die geladenen Gäste nun emotionsgeladen entgegenfieberten.
Ben Hur , nur ohne Wagen, dachte Lisa und überlegte, ob es für Männer nicht sogar das Beste war, angestaute Emotionen körperlich abzubauen. Ein Pferderennen war auf alle Fälle besser als eine handfeste Prügelei …
Eklat war wohl nicht das richtige Wort. Andreas hatte ihm das Fest geschmissen. Aus Erfahrung wusste Felipe, dass es nichts Schlimmeres gab, als mit Peinlichkeiten dieser Art defensiv umzugehen, sie am Ende noch herunterzuspielen. Das hinterließ den üblen Nachgeschmack von Feigheit, mangelnder Aufrichtigkeit und Schwäche, was er sich in Anbetracht der geladenen Gäste, unter denen viele Geschäftspartner waren, weder leisten konnte noch wollte. Viel klüger war es, Entschlossenheit und Kampfgeist zu demonstrieren. Normalerweise würde ihn irgendeiner seiner Freunde oder Bekannten zum traditionellen Pferderennen fordern. Beim Aufsatteln seines Kartäusers erinnerte er sich daran, dass er bisher nur zweimal geschlagen worden war, von einem deutschen Jockey. Ein Leichtgewicht von einem Meter sechzig Größe, so dass die Chancen alles andere als gleich verteilt gewesen waren. Andreas und er durften ungefähr gleich schwer sein und waren gleich gute Reiter. Und so konzentriert, wie sein Sohn das Pferd sattelte und den perfekten Sitz des Sattels überprüfte, ohne auch nur für einen Moment zu seinem Vater hinüberzublicken, wurde Andreas zu einem ernstzunehmenden Gegner. Für einen Moment überlegte Felipe, ihn gewinnen zu lassen, doch das entsprach nicht seiner Art. Er hatte ihn herausgefordert. Eine Lektion hatte er verdient. Felipe malte sich aus, dass seine Chancen nicht schlecht standen, weil sein Sohn zornig war und nun gegen gleich zwei Gegner anzutreten hatte, gegen seinen Vater und gegen sich selbst. Auch die Pferde schienen zu spüren, dass dieses Rennen etwas Besonderes war. Andreas’ Pferd, ein Andalusier, den er gut kannte und auf dem er schon oft ausgeritten war, schnaubte und wirkte nervös, doch auch Felipes Pferd, ein Kartäuser-Wallach, den er selbst eingeritten hatte, tänzelte beim Aufsitzen. Felipe versuchte, sich zu konzentrieren, und blickte auf die rote Fahne, die einer seiner Stallburschen von ihrem Griff wickelte. Halbkreisförmig hatten sich die geladenen Gäste und selbst das Personal um sie versammelt. Felipe versäumte es nicht, nach Lisa Ausschau zu halten. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Früher hatte sie ihm stets die Daumen gedrückt, jetzt sah sie eher besorgt aus, genau wie Mercedes, die neben ihr stand.
Luke schien der Einzige zu sein, der relativ entspannt war und sich auf ein spannendes Rennen freute. Er saß auf dem Gatter und rief ihm zu: »Du schaffst das, Felipe!«
Die rote Fahne war bereit und fuhr in der Hand des Stallburschen nach unten.
Felipe gab seinem Wallach mit dem Zügel nur einen Klaps auf die Kruppe. Das Tier kannte das Signal und rannte los. Es war schnell und hatte gute Chancen, Andreas’ Andalusier abzuhängen. Doch Andreas gab seinem Pferd wild und brachial die Sporen, so dass er schon nach etwa einem Viertel der Strecke einen beachtlichen Vorsprung hatte. Dieses Tempo konnte das Tier unmöglich durchhalten, nicht ein Andalusier, der nicht für Wettrennen geboren war. Felipes Tier war jung, hatte noch Kraft, aber diese galt es über die Strecke von zwei Kilometern bis hin zum Zypressenwäldchen und wieder zurück gut einzuteilen. Felipe hatte genug Rennerfahrung, um zu wissen, dass sich ein Rennen erst auf den letzten Metern zur
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