Lisa geht zum Teufel (German Edition)
so.«
»Und was machst du jetzt?«, fragte Claudia.
»Nichts. Andreas ist nett, seine Freundin eine richtig liebe Person, und sie bleiben ja nur ein paar Tage.«
»Respekt, Lisa. Respekt«, lobte Alex sie. »Das ist die richtige Einstellung.«
»Darauf trinken wir einen«, sagte Claudia und winkte den Ober herbei.
»Stefan möchte mit uns morgen gerne aufs Meer rausfahren. Er hat ’ne tolle neue Yacht. Hast du Lust?«, fragte Vroni, die natürlich möglichst schnell zeigen musste, was er hatte.
»Es würde mich sehr freuen«, fügte Stefan galant hinzu.
Lisa nickte. Natürlich hatte sie Lust: auf die Yacht, auf das Meer, auf Ratsch und Tratsch. Überhaupt! Sie hatte Urlaub.
Gab es nicht den Ausspruch: »Froh zu sein bedarf es wenig« – diese schöne Strophe aus einem deutschen Volkslied, das Rafael vor Jahren von einem deutschen Chor am Strand gehört hatte? Sicher, so gesehen konnte er froh sein, sich und seine Katze an diesem Tag mit ausreichend Nahrung versorgt zu haben. Hieß »froh« aber zugleich auch »glücklich«? Glück sah anders aus. Zweifelsohne hatte Rafael heute genau wie die Touristen, die sich an der Strandpromenade vor ihm tummelten, einen Tag am Meer verbracht, die gleiche Sonne genossen, den gleichen wolkenlosen Himmel gesehen. Er war an der frischen Luft gewesen, hatte sich mit zwei englischen Touristen über Gibraltars Sehenswürdigkeiten unterhalten und ein Nickerchen im warmen Sand gemacht. Nicht mal so schlecht. Touristen nannten so etwas Urlaub, für den sie jede Menge Geld bezahlten. Er war genau wie sie um diese Zeit auf dem Weg durch die Innenstadt, schlenderte durch die enge Calle San Lázaro, einer der wenigen Wege, auf denen ihn Roberta nicht begleitete. Bestimmt hatte sie keine Lust, so vielen Touristenbeinen auszuweichen und im Slalom neben ihm herzulaufen. Sie würde am Strand auf ihn warten. Für ihn war diese Strecke entlang der weißen Häuserzeile mit ihren bunten Fensterläden allwöchentliche Routine, immer mittwochs, wenn Delia, seine einzige zweibeinige Freundin, ihren freien Tag hatte. Im El Estrecho, einer der besten Tapas-Bars vor Ort, waren sie Stammgäste. Die Bar war Treffpunkt, Kontaktbörse und kulinarischer Tempel zugleich – und wie köstlich es bereits aus dem kleinen Lokal nach andalusischen Spezialitäten duftete. Die Dominanz von Knoblauch war nicht zu leugnen. Rafael lief augenblicklich das Wasser im Mund zusammen.
»¡Hola, chiquito!«, begrüßte ihn Delia am Eingang des Lokals herzlich und küsste ihn wie üblich erst auf die Wange und dann auf den Mund. Passanten mussten sie für ein Ehepaar halten. Rein äußerlich passten sie beide nicht in die geschniegelte Welt Marbellas. In Zivil trug Delia einfache nostalgische Sommerkleider, die so aussahen, als hätte sie sie von der Altkleidersammlung bezogen. Ungeschminkt, die Haare zu einem strengen Dutt gebunden und ohne jeglichen Schmuck, wirkte sie wie ein Landei, das sich in die Stadt verirrt hatte. Irgendetwas stimmte heute nicht mit ihr. Wo war ihr unerschütterliches Lächeln geblieben?
»Wie geht es dir?«, fragte er sie daher ganz offen.
»Frag besser nicht«, erwiderte Delia. »Ich hab Hunger. Komm!« Schon betrat sie das Lokal und steuerte ohne weitere Erklärungen schnurstracks auf ihren Stammplatz zu, einen kleinen runden Tisch im hintersten Eck, der sich vorzüglich dazu eignete, sich den pikierten Blicken neureicher Gäste zu entziehen. Nur an manchen Tagen bevorzugte die gebürtige Holländerin eine Nische, in der eine grüne Couch stand, die sie anscheinend über alles liebte. Von dort aus hatte man alle an der Bar drapierten Köstlichkeiten im Blick. Rafael konnte seine Augen auch diesmal nicht von den iberischen Schinkenkeulen abwenden, die an der gekachelten Wand des Restaurants an Haken hingen und den Raum mit ihrem verführerischen Duft nach geräuchertem Fleisch erfüllten.
»¡Hola! ¿Qué tal?«, begrüßte sie der Wirt im Vorbeigehen. Das Lokal war an diesem Tag bis auf den letzten Platz gefüllt, sogar an der Theke drängten sich die Gäste.
»Was nimmst du?«, fragte Delia knapp.
»Albóndigas Caseras, Jamón de Pata Negra und Boquerones.« Delia lachte. Sie wusste genau, dass dies seine Leibspeisen waren. Und wie Rafael sich auf die hausgemachten Fleischbällchen freute und den würzig aromatischen Schinken, vor allem aber auf die kleinen eingelegten Sardellen, die einem auf der Zunge zergingen. Ein Festmahl.
»Ich fürchte, wir müssen heute auf einen Gang
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