Lisa geht zum Teufel (German Edition)
mir leid, dass ich das eine oder andere mit angehört habe. War nicht meine Absicht.«
»Es war auch kein Vorwurf«, fuhr Delia fort. »Aber jetzt mal ehrlich. Was wollen Sie?«, fragte sie und fixierte ihn dabei schon wieder mit diesen Augen, denen man nichts vormachen konnte – eine echte Herausforderung, der er sich mit Leichtigkeit stellen konnte, weil er die beiden ja nicht belügen musste. Es würde genügen, die Angelegenheit ein bisschen zu dramatisieren – und dass sie Geld brauchten, und zwar dringend, daran konnten auch Delias stechende Augen nichts ändern.
Lisa war erleichtert darüber, dass gewohnte Rituale die Macht hatten, einen voll und ganz in jenes Gefühl einzubetten, das mit der Erinnerung an sie einherging. Aber es war weitaus mehr als das. Daran, wie schön ihre abendlichen Spaziergänge entlang der Promenade des Yachthafens waren, konnte sie sich auch zu Hause erinnern, und es bewirkte meist nicht viel mehr, als sie zu einem wohligen Schmunzeln zu bewegen. Das Ritual bezog seine Macht vielmehr aus dem Sinnlichen, das sich hier unmittelbar wahrnehmen ließ, aus dem Geruch des Meeres und all der Elemente, die einem an diesem Ort begegneten: dem Wind, den vertrauten Stimmen ihrer Freunde, dem Duft von Speisen, der aus den Restaurants zu ihnen drang, den edlen Parfüms von Passanten, den fröhlichen Gesichtern der Menschen, die hier einen unbeschwerten Abend verbringen wollten und deren positive Lebensenergie sich auf sie übertrug. All das erzeugte ein so intensives Lebensgefühl, dass es den jüngsten Ärger über den pubertären SMS-Schreiberling überdeckte. Ob fünftes Rad am Wagen oder nicht, Trübsal zu blasen kam nicht in Frage. Konnte es sein, dass sie einer der Yachtbesitzer, der von seinem bequemen Klappstuhl aus die vorbeiziehenden Menschen beobachtete, eben angelächelt hatte? Unverbindlich zurückzulächeln konnte nicht schaden. Es tat gut. Hätte ich doch nur die neuen Klamotten mitgenommen, überlegte Lisa. Wenn man sich wohl in seiner Haut fühlte, waren auch gewagte Outfits kein Problem, nur war ja nicht abzusehen gewesen, dass sie sich so schnell vom jüngsten Fehlgriff in Sachen Männer erholen würde.
»Hast du gemerkt, wie der dich angesehen hat?«, fragte Vroni.
Die Reaktion ihrer Freundin bestätigte, dass Lisa sich das Interesse des Yachtbesitzers nicht eingebildet hatte.
»Komm, lass uns stehen bleiben und ein bisschen flirten. Wir müssen ohnehin auf die anderen warten«, schlug Vroni nun vor.
»Willst du mich jetzt mit Gewalt verkuppeln, oder was?«, fragte Lisa und spürte aufsteigende Panik, weil sie Vroni kannte und wusste, dass sie vor nichts zurückschreckte, wenn es um exzessive Flirts ging. Das Erstaunliche daran war, dass sie damit meist durchkam, zumindest in der Männerwelt ab fünfzig. Obwohl gut gelaunt, war Lisa gerade nicht nach einem Flirt, der sowieso zu nichts führen würde. Aber Vronis Klammergriff war nicht zu entkommen. Da stand sie nun wie festgepinnt und tat so, als bewundere sie die Yachten, die vor ihr lagen. Hoffentlich kamen Claudia und die anderen bald nach.
»Er sieht gut aus. Spanier, schätze ich mal. Wir könnten auf seinem Boot einen Drink nehmen. Komm schon, den quatschen wir jetzt an.«
»Du bist unverbesserlich«, erwiderte Lisa.
Vroni lachte nur und löste endlich ihren Blick von der Yacht, was sicher auch damit zu tun hatte, dass der Spanier in Richtung einer Frau sah, die aus einem Porsche stieg und ihm zuwinkte.
»Da hast du ja noch mal Glück gehabt«, meinte Vroni scherzhaft. »Aber beim Nächsten beißt du an, und wenn ich dich hinprügeln muss …«
»Das ist nicht meine Art, und das weißt du«, wandte Lisa ernst ein.
»Eben. Du siehst gut aus, hast dich gut gehalten. Die Männer interessieren sich für dich, aber du musst einfach spontaner sein.«
»Und was bringt so ein Flirt?«
»Na, was soll er schon bringen? Ein bisschen Kribbeln. Das tut gut, und dann kann man immer noch schauen, ob daraus was wird. Wenn ich Stefan nicht einfach so angequatscht hätte, säße ich noch heute auf dem Trockenen.«
Vroni hatte ja recht. Nur hatten Lisa die meisten ihrer Flirts bisher überwiegend Zurückweisungen eingebracht. Schade, dass sie keine entsprechende Liste angefertigt hatte, die sie Vroni jetzt unter die Nase halten konnte. Auf alle Fälle tat es gut zu wissen, dass sich die teuren Sitzungen bei Anne offenbar gelohnt hatten. Der Zug war also noch nicht abgefahren. Balsam für die jüngst gedemütigte
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