Lisa geht zum Teufel (German Edition)
tragen. Warum nur musterte Delia sie nun mit dem gleichen Blick wie die Verkäuferin mit der Lesebrille?
»Folgen Sie mir! Wir dürften die gleiche Größe haben«, sagte sie schließlich resolut und reichte Lisa die Hand.
Unter Lisas neugierigen Blicken zog Delia ihr zweites traditionelles Flamencokleid hervor. Es machte ihr Spaß, Lisa, die sie für eine hochnäsige Marbella-Schnepfe hielt, etwas herauszufordern. Mal sehen, wie spontan sie war. Dass Lisa das Kleid näher begutachtete, war schon mal ein gutes Zeichen. Dass sie es mit zwei Fingern ein wenig pekiert hochnahm, sprach eher für Lisas Skepsis. Delia rechnete fest damit, dass sie es nicht anziehen würde.
»Das ist schon schön. Das Weiß und das Rot …«, überlegte Lisa laut. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Lisa den Satz mit einem »aber« fortführen würde. Dessen war sich Delia sicher.
»Ach, ich probier es jetzt einfach mal an«, überraschte Lisa sie. In Nu war Lisa aus dem Zimmer und huschte ins Bad. Es dauerte keine zwei Minuten, bis Lisa es schaffte, Delia ein zweites Mal zu überraschen.
»Es passt!«, rief sie ihr vom Badezimmer aus zu. Überraschend daran war nicht, dass sie hineinpasste, sondern die Begeisterung, die in ihrer Stimme lag, ganz zu schweigen davon, wie fröhlich Lisa in ihrem neuen Outfit aus dem Bad tänzelte.
»Passende Schuhe hätte ich ja …«, sagte sie und drehte sich vor dem Spiegel des Kleiderschranks um die eigene Achse, um das Kleid und somit sich selbst von allen Seiten darin zu bewundern. »Danke! Das ist sehr nett von Ihnen«, fuhr Lisa fort.
Delia wunderte sich über die Warmherzigkeit in Lisas Augen, aber auch in ihrer Stimme. Hatte sie Lisa wirklich dermaßen falsch eingeschätzt?
»Ich geh mich nur noch schnell schminken«, sagte Lisa und wollte schon zurück ins Badezimmer gehen.
»Das müssen Sie nicht!«, entgegnete Delia.
»Ich kann doch so nicht aus dem Haus gehen«, widersprach die frischgebackene Flamencoqueen und betrachtete sich prüfend im Spiegel.
»Sie können«, versicherte Delia ihr und trat neben sie. »Ein bisschen Lippenstift vielleicht und … Warten Sie …« Schnell griff sie in ihre Tüte und zog eine Stoffblume heraus, die sie Lisa so schnell ins Haar steckte, dass sie gar keine Zeit hatte zu protestieren.
Lisas Miene hellte sich augenblicklich auf.
»Jetzt fehlt nur noch ein Lächeln. Wer lächelt, kann auch ungeschminkt aus dem Haus gehen«, erklärte Delia.
Lisa schmunzelte unwillkürlich, was Delia noch mehr überraschte und ihre dahingesagte Theorie vom verschönenden Effekt eines Lächelns bewies. Lisa war schön, und auf einmal erkannte Delia in ihren Augen ganz neue Facetten. Sie glaubte nun, darin sehen zu können, wer Lisa wirklich war. Wie gut sie sich doch bisher hinter ihrer Fassade aus teurer Schminke versteckt hatte. Lisa hatte auf einmal eine viel intensivere Ausstrahlung. »Es ist nur etwas ungewohnt«, sagte Lisa noch eine Spur verunsichert, nachdem sie sich aus allen möglichen Blickwinkeln im Spiegel erneut gemustert hatte.
»Sie haben es gar nicht nötig, Ihr schönes Gesicht zuzuspachteln«, sagte Delia voll Überzeugung.
Lisa schien noch hin und her gerissen zu sein zwischen dem neuen Gesicht, das sie nun im Spiegel sah, und dem, welches sie bisher gewohnt war.
Delia beschloss, Lisa augenblicklich von diesem Wankelmut zu befreien. »Verdecken Sie nicht, wer Sie sind. Ist Ihnen noch nie aufgefallen, dass die meisten perfekt geschminkten Frauen irgendwie gleich aussehen? Wie Abziehbilder aus einem Modemagazin …«
Aus Lisas unsicherem Schulterzucken wurde ein fragender Blick.
»Ecken und Kanten sind interessant. Glauben Sie mir, man kann auch mit Falten im Gesicht glücklich sein.«
Endlich ein überzeugtes Nicken.
»Und faltenfrei unglücklich«, erwiderte Lisa. »Sogar sehr unglücklich«, fügte sie entrückt hinzu und schien sich für einen Moment ihren Gedanken hinzugeben. Dann erschien ein optimistisches Lächeln auf ihrem Gesicht, und Lisa strahlte auf einmal pure Lebensfreude aus, die direkt aus ihrem Herzen kam und bisher dort wohl für längere Zeit vergraben gewesen sein musste.
Obwohl Lisa sich in ihrem »andalusischen Dirndl« durchaus gefiel und Delia sicher recht damit hatte, dass sie auf eine ganz neue Art attraktiv aussah, waren ihr Yolandas erstaunter Blick und der des Taxifahrers nicht ganz geheuer gewesen. »Viel Spaß auf der Feria«, hatte ihr Yolanda gewünscht und sie dabei die ganze Zeit irritiert gemustert. War sie
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