Lisa geht zum Teufel (German Edition)
Glück so auf den Boden gefallen war, dass sich die Styroporverpackung geschlossen hatte und die Kartoffel vor dem Staub schützte, den Felipes Pferd aufwirbelte.
Niemand nannte ihn ungestraft einen Hurensohn. Der hohen Dressur mächtig, bedurfte es nur weniger Signale mit seinen Oberschenkeln und dem Zaumzeug, um sein Pferd zu einem Tanz rund um die Kartoffel dieses Mannes zu bewegen. Die Hufe seines Kartäusers machten im Nu ungenießbaren Matsch aus der Verpackung nebst Inhalt.
»Oh, Verzeihung«, sagte Felipe süffisant. Der Mann glühte vor Wut, was Felipe sichtlich gefiel. »Das nächste Mal Augen auf!«, fügte er mit diabolischem Grinsen hinzu und genoss es, mit anzusehen, wie der Mann seine Hände zu Fäusten ballte.
»Pass auf, dass ich dich beim nächsten Mal nicht in die Finger kriege«, rief ihm der Mann nach, als Felipe seinem Pferd die Sporen gab.
Wenn es etwas gab, was Delia auf den Tod nicht ausstehen konnte, dann war der Small Talk außerhalb ihrer früheren beruflichen Tätigkeit, die vor und nach den körperlichen Aktivitäten überwiegend von netter, aber trivialer Konversation mit ihrer Kundschaft lebte. Schon seit über einer halben Stunde nichts als gezwungen höfliches Blabla über sich ergehen lassen zu müssen war eindeutig zu viel. Rafael musste es wohl ähnlich ergangen sein, hatte er sich doch unter dem Vorwand eines Bärenhungers zur Fressmeile im Parallelgang abgesetzt. Wenn sie nicht bald ein kühles Glas starke Sangria bekam, drehte sie sicher durch.
»Ich möchte nicht wissen, wie das morgen hier aussieht. Die Spanier schmeißen einfach alles auf den Boden. Dabei gibt’s hier doch Mülltonnen«, ätzte die Beleibte, die sich ihr als Vroni vorgestellt hatte.
»Dann geh mal nachts über die Wiesn«, konterte Lisa, die ihr mit jedem Widerspruch sympathischer wurde.
»Da hat Lisa auch wieder recht«, meinte Claudias blasser Ehemann, dessen Namen Delia erfolgreich verdrängt hatte.
»Wie ist das bei Ihnen in Holland? Die Holländer sind doch im Allgemeinen ein sehr sauberes Völkchen«, fragte Claudia.
»Dann gehen Sie mal durch die Straßen, wenn unsere Fußballer gegen die Deutschen verlieren. Sie werden über Hunderte von Fernsehern stolpern.«
Delia wusste genau, dass Lisas Freundin nicht darüber lachen würde. Sie hatte bewusst ihrem Mann diesen Ball zugespielt, weil er sich im Laufe ihres Gesprächs schon einige Male über die Stärke des spanischen und deutschen Fußballs geäußert hatte, als einige Lokalpatrioten mit spanischer Flagge und Hüten an ihnen vorbeigezogen waren. Und wie komisch er das fand. Noch besser war allerdings, dass Claudia ihn hilfesuchend ansah, weil sie nicht verstand, um was es ging.
»WM 1974. Die haben wir doch zusammen gesehen«, sagte er zu seiner Frau. »Wie der Müller denen kurz vor Schluss der ersten Halbzeit das Tor reingeknallt hat. Einfach sagenhaft«, schwärmte er und fing auch noch an, vergnügt zu grölen: »Oléoléolé.«
»Du weißt genau, dass ich mich nicht für Fußball interessiere«, wies sie ihn sogleich zurecht – wenigstens eine Gemeinsamkeit mit diesem Klammeräffchen, dessen heile Welt Delia eben genüsslich ins Wanken gebracht hatte.
»Also, ich hätt jetzt Lust auf eine kühle Sangria«, sagte Lisa und nahm Delia quasi die Worte aus dem Mund.
»Aus dir ist ja eine richtige Spanierin geworden«, sagte Vroni nun, die Delia im Grunde genommen noch unsympathischer fand als diese Claudia. Sie war bei ihr schon unten durch gewesen, als sie Lisas Outfit leicht angewidert gemustert und sich erst Minuten später verlogen abgerungen hatte: »Du siehst toll aus!« Was für Freunde! Gut, dass Lisa bereits auf eines der Zelte zusteuerte, in denen Sangria ausgeschenkt wurde. Dort herrschte Hochstimmung. Jung und Alt tanzte auf. Los »On the floor«, das lautstark bis nach draußen dröhnte und Claudia dazu veranlasste, sich demonstrativ die Ohren zuzuhalten.
»Willst du ernsthaft da rein?«, fragte Vroni ihre Freundin.
»Klar. Ich hab Durst. Außerdem finde ich die Musik gut«, erwiderte Lisa, und wenn sich Delia nicht täuschte, war Lisa mittlerweile auch ziemlich angefressen von der Miesepeterstimmung, die ihre Freunde verbreiteten.
»Also, mir ist das echt zu laut«, schrie Claudia, so dass es jeder hörte. »Komm, Alex, lass uns gehen«, schlug sie vor und wandte sich Lisa zu. »Wir sehen uns morgen. Ich bin zu müde für den Lärm, und diese Hitze macht mich fertig.«
Delia war klar, warum Claudia beim Wort
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