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Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Titel: Lisa geht zum Teufel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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jetzt angenehm oder unangenehm überrascht gewesen? Im Taxi hatte Lisa sich dann klargemacht, dass es sich nicht mehr lohnte, darüber nachzudenken, weil es sowieso kein Zurück mehr gab. Sie fühlte sich gerade so, als ob sie in eine Achterbahn eingestiegen sei, die unaufhaltsam auf den nächsten Looping zuraste. Ihr Herz pochte dementsprechend. Lisa versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, schlussendlich nur verkleidet zu sein, wie beim Kinderfasching. Kinder kamen sich dabei allerdings nicht albern vor. Das Taxi erreichte die Hauptstraße, auf der sich zu ihrer großen Erleichterung Frauen allen Alters in Flamencokostümen tummelten. Sie strömten in die Richtung, in die auch ihr Taxi fuhr.
    »Waren Sie schon mal auf einer Feria?«, fragte Delia.
    »Einmal, vor Jahren. Mit Felipe«, erinnerte sich Lisa und hatte im Nu den damaligen Besuch vor Augen. Ein richtiges Highlight war das gewesen, eine Attraktion mit sehr viel Charme, die aber im Laufe der Jahre zu einem Massenspektakel verkommen war, so wie das Münchner Oktoberfest, nur mit dem Unterschied, dass eine Feria nach wie vor ein Volks- und kein Bierfest war. Die Spanier liebten Fiestas, um gesellig zusammen zu sein, und sahen darin keinen willkommenen Anlass zu einem Massenbesäufnis. Gut möglich, dass die Ausuferungen des Oktoberfestes, die sie in den letzten Jahren ziemlich abgeschreckt hatten, einer der Gründe für ihre generelle Abneigung gegen Großveranstaltungen dieser Art geworden waren.
    Auch Rafael hatte die vorbeiziehenden Feria-Gäste im Visier, bevor er den Kopf schüttelte und sich selbst betrachtete.
    »Ich bin der einzige Spanier in unserer Runde – und schaut mich an. Ich sehe aus wie ein Tourist«, sagte er schmunzelnd und meinte damit sein Outfit, die Jeans und das Polohemd. Er musste sich mindestens genauso deplatziert vorkommen wie sie in ihrer neuen Haut, die sich jedoch mit jedem Klick des laufenden Taxameters besser anfühlte. Jeder zweite Passant, an dem das Taxi vorbeifuhr, trug farbenfrohe folkloristische Kleidung. Nach der nächsten Abzweigung, die das Taxi nahm, lag ein Meer aus bunten Punkten vor ihnen, dessen Flut sich auf riesige Torbogen zuschob, die die farbenfrohen Ströme in sich aufsogen und auf fünf Hauptwege verteilten. Hier ein Riesenrad, dort eines jener Fahrgeschäfte, deren Käfige wie Geschosse in den Himmel stiegen, um dann im freien Fall nach unten zu jagen. Karussells, Los- und Schießbuden, Essensstände und bunte Zelte, die sich »Casetas« nannten, luden zu vergnüglichen Stunden ein. Der Lärmpegel aus Musik und Stimmengewirr drang bis ins Taxi und erreichte ohrenbetäubende Dimensionen, als der Taxifahrer ausstieg, um ihnen die Tür zu öffnen. Quirliges Leben, fröhliche Menschen, die sich mit ihren Kindern, Familien und Freunden ins Getümmel stürzten, machten sofort gute Laune. Lisas Augenmerk galt vorwiegend den Frauen in ihrem Alter. Delia sollte recht behalten. Es gab überhaupt keinen Grund, sich »aufzutakeln« und sein Gesicht »zuzukleistern«. Und hier schon gar nicht. Viele markante und dadurch umso interessantere Gesichter kamen an ihnen vorbei. Der Ausdruck war es, der die Frauen attraktiv machte, nicht die selbst auferlegte Maske aus Puder, Concealer, Kajal und Rouge. Wie monoton und genormt sah dagegen eine Gruppe von mutmaßlich deutschen Touristinnen aus, die an ihrem Taxi vorbeischlenderte. Sie hatten sich zwar hübsch gemacht, sahen sich aber tatsächlich ähnlich. Und was noch viel schlimmer war: Im Vergleich zu den meisten Spanierinnen wirkten sie relativ ausdruckslos. Richtig langweilig. Was für eine Ironie. Da schminkte man sich, um aufzufallen, und erreichte mit der Uniformität der Schönheitsideale im Vergleich zu den Unikaten, Gesichtern, denen das Leben selbst ein Make-up verpasst hatte, genau das Gegenteil.
    »Está bien«, sagte sie zum Taxifahrer und reichte ihm einen Zwanzig-Euro-Schein, bevor sie nach Claudia, Alex, Vroni und Stefan Ausschau hielt. Es war eine Schnapsidee gewesen, sich am Eingang treffen zu wollen. Hier würden sie sich niemals finden, doch wider Erwarten hatte Lisa sie im Nu erspäht. Die vier standen wie ein Bollwerk gegen den Menschenstrom unter einem der Torbogen und trennten die hereinströmenden Massen wie ein Keil in zwei Hälften. Claudia sah bereits in ihre Richtung, zeigte aber keinerlei Reaktion. Normalerweise würde sie ihr zuwinken. Doch es waren zu viele Menschen unterwegs.
    »Da drüben sind meine Freunde. Ich stell euch vor«,

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