Lisa geht zum Teufel (German Edition)
nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen.
»Hast du deshalb mit mir geschlafen?«, fuhr sie Rafael an und bebte dabei vor Aufregung am ganzen Körper.
Wie gerne hätte er sie jetzt in den Arm genommen.
»Offene Beziehung. Dass ich nicht lache. Ihr habt mich doch von vorn bis hinten belogen.«
Erneut ergriff Delia das Wort: »Ja, es stimmt, Lisa. Wir haben dich belogen, und wir sind auch nicht verheiratet. Es war ein Fehler, aber wir machen ihn wieder gut«, sagte sie.
Doch Lisa hatte nur Rafael im Blick. »Bisher dachte ich immer, Felipe sei der Teufel … Wie konntest du mir nur so ein Theater vorspielen?«, fragte sie und bekam dabei feuchte Augen.
Rafael hielt diesem Blick nicht länger stand und spürte, wie er in sich zusammenfiel – wie ein Kartenhaus, bei dem man die unterste Karte entfernt hatte.
»Raus hier!«, sagte Lisa mit messerscharfer Stimme.
»Lisa. Ich hab dir nichts vorgespielt!«, versuchte er ihr klarzumachen, doch Lisa schüttelte nur fassungslos den Kopf.
»Raus! Verschwinde!« In Lisas Stimme lagen Wut und Verzweiflung, und sie klang so schneidend, dass selbst Delia schluckte. Das Schlimmste waren jedoch Lisas Augen, aus denen tiefste Abscheu, Enttäuschung und Fassungslosigkeit sprachen.
Delia gab klein bei und ging die paar Schritte zu ihrem Lederkoffer, der neben dem Schrank stand.
Lisa sah Rafael ein letztes Mal an, machte dann auf dem Absatz kehrt und stürmte die Treppen hinunter.
»Lisa!«, rief er ihr nach, obwohl er genau wusste, dass sie nicht mehr mit ihm reden würde.
Delia holte ihre Sachen aus dem Schrank und legte sie auf dem Bett ab. Rafael stand nur da und starrte ins Treppenhaus.
»Raus! Verschwinde!« Das waren die gleichen Worte gewesen, die seine Frau benutzt hatte, als sie ihn aus ihrem gemeinsamen Haus geschmissen hatte. Zu Recht. Er hatte es nicht anders verdient und verdiente auch heute nichts anderes. Rafael lächelte bitter, was Delia mitbekam und offenbar missverstand.
»Was ist? Also, so komisch ist das jetzt auch wieder nicht«, sagte sie verwundert.
»Nichts … Es ist nichts«, rang er sich ab und überlegte, woher er das Talent hatte, die Menschen, die er liebte, immer wieder zu verletzen. Das war wie ein Fluch – und wenn ihm das Schicksal noch eine zweite Chance gegeben hatte, so hätte er sie nicht gründlicher vergeigen können.
Aus Kummer zu weinen war Lisa fremd und kam höchst selten vor. Zuletzt in der Zeit, als sie noch mit Felipe zusammen gewesen war. Wegen keinem anderen Mann hatte sie jemals auch nur eine Träne vergossen, wobei gegen Weinen an sich ja nichts einzuwenden war. Lisa liebte es, vor Glück loszuheulen. Nichts war schöner, nur gab es leider im Moment dazu keinen Anlass. Lisa blickte auf den Jacarandabaum vor ihr und wischte sich die Tränen vom Gesicht. Das Blau seiner Blüten heiterte auf, spendete Ruhe und Klarheit. Die Farbe erinnerte sie an ein seidenes Kissen ihrer Mutter, das sie zusammen mit anderen Erinnerungsstücken in einer Kiste auf dem Speicher ihrer Münchner Wohnung aufbewahrte. Vermutlich liebte sie die prächtigen Farben dieses Baums deshalb so sehr. Der kurze Moment der Ruhe war schlagartig dahin, als Rafael und Delia aus dem Haus kamen. Wenigstens hatten sie noch so viel Anstand, ihrem Wunsch, sofort auszuziehen, zu entsprechen. Lisa war froh, dass der Spuk bald ein Ende hatte, doch zugleich überfiel sie ein Gefühl der Traurigkeit. Sie würde Rafael nie wiedersehen. Warum blieb er kurz am Gartentor stehen und drehte sich um? Ging es ihm etwa genauso? Hätte sie doch nur ihren Blick abgewandt. Er sah sie aus traurigen Augen an, und wieder hatte Lisa das Gefühl, dass er kein schlechter Mensch war. Die Tür fiel hinter den beiden ins Schloss. Lisas Augen wurden feucht. Gerade als sie aufstehen wollte, um zurück ins Haus zu gehen, kam Yolanda vom Nachbargrundstück zu ihr. Sie trug zwei Schalen, die mit frischem Obst gefüllt und mit Eis garniert waren. Yolanda aß nicht gerne allein, was Lisa schon oft in den Genuss von allerlei Leckereien gebracht hatte.
»¿Estás bien?«, fragte sie.
Lisa nickte tapfer und überlegte, ob sie Yolanda das gesammelte Leid en détail erzählen sollte. Was würde das bringen, außer dass sie erneut in diesem schier unendlichen Gedankenkarussell Platz nehmen würde. Da sich die nachbarschaftlichen Verhältnisse nun aber geändert hatten, sollte sie Yolanda zumindest davon in Kenntnis setzen.
»Ich hab die beiden rausgeschmissen. Ich nehme an, sie kommen nie wieder«, sagte
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