Lisa geht zum Teufel (German Edition)
entpuppt, das sowieso nie stattfinden würde, weil es viel zu aufwendig war und es der Stadt an Geldern fehlte. Die angedrohte Strafe war nichts weiter als ein Bluff gewesen, da sich Felipe im Nachhinein sehr wohl eine Baugenehmigung für den Keller hatte erteilen lassen, auch wenn die Pläne dafür, wie ihr Alfonso versichert hatte, nicht mehr auffindbar waren. Das Thema war vom Tisch. Delia war sicher, dass Lisa sich darüber freuen würde. Am besten, Rafael überbrachte ihr die Nachricht. Doch auf ihrem Sofa, auf dem Rafael noch zwei Stunden zuvor friedlich mit Roberta geschlummert hatte, herrschte nun gähnende Leere. Er war weg!
»Alles in Ordnung mit dir? Geht es dir gut? Ich hoffe, du hast einen schönen Urlaub. LG Reiner.«
Lisa wusste nicht, ob sie den Kopf schütteln oder lauthals loslachen sollte. Perfektes Timing! Und Reiner schien ein Gespür dafür zu haben, wann sie sich mit der Frage nach der richtigen Garderobe beschäftigte. Nur dass sie sich diesmal nicht überlegte, was sie in ihren Urlaub mitnehmen würde, sondern welche Robe sich für das Fest bei Felipe am besten eignete. Es baute Lisa auf, dass beim Lesen von Reiners Nachricht diesmal der Stich in ihr Herz ausgeblieben war. Ganz im Gegenteil. Er nervte sie nur noch. Das war schon alles. Das Gefühl, wie unwichtig ihr dieser opportunistische Karrierist geworden war, hatte etwas Aufmunterndes, um nicht zu sagen Erheiterndes. Wenn es noch schlimmer kam, wurde das vormals Schlimme eben zur Bagatelle. Lisa legte ihr Handy beiseite und widmete sich ihrer Sommerkollektion, jedoch nicht ohne weiterhin darüber nachzudenken, warum ihr Herz so heiter war. Die Antwort hatte Sprengkraft. Reiner war ihr gleichgültig geworden, weil das, was sie für ihn empfunden hatte, verglichen mit den Gefühlen für Rafael in jener Nacht in Madrid und darüber hinaus, nicht einmal mehr der Rede wert war. Insofern hatte es Reiner indirekt doch noch geschafft, sie nun schon zum zweiten Mal auf die Bettkante zu pinnen, um diesen süßen Schmerz bis ins Letzte auszukosten. Aber was hatte sie davon? Letztlich hatte Rafael sie aus der gleichen niederen Motivation heraus verraten. Und waren nicht auch Felipes Beweggründe vor allem materieller Natur gewesen? Was für eine Farce, dass sie sich dazu entschlossen hatte, seine Einladung anzunehmen. Sie hatte nicht die geringste Lust, ihn zu sehen … Aber die Neugier auf den Menschen, der Felipe heute war, gewann schließlich die Oberhand. Auf alle Fälle schien ihn die Schlange nicht mehr so fest im Griff zu haben, würde er sonst seit Jahren dem Kind einer Angestellten helfen? Lisa nahm sich ihrer »Leinenkollektion« an. Da klingelte es an der Haustür. Hoffentlich nicht Delia oder Rafael. Lisa lugte durch das Fenster zum Gartentor. Eine junge Frau sah zu ihr nach oben. Kein Zweifel. Es war Mercedes.
Mut hatte sie ja und jede Menge Anstand, stellte Lisa fest, nachdem sich Mercedes auf dem Weg zur Terrasse mehrfach bei ihr entschuldigt und beteuert hatte, nichts von Andreas’ miesem Spiel gewusst zu haben. Lisa zweifelte keine Sekunde daran, dass die junge Frau ihr die Wahrheit sagte, und bereute es nicht, ihr die Tür geöffnet zu haben. Dass sie sich deswegen von Andreas trennen wollte, überraschte Lisa. Dass dies letztlich nur eine Art Auslöser für weiter reichende Gründe war, aber noch viel mehr.
»Ich bin mir sicher, dass er mich liebt, aber … ich kann einfach nicht an der Seite eines Mannes leben, der anderen Menschen Schaden zufügt«, gestand Mercedes ihr. Das war nur eine der Parallelen, die Lisa aus den frühen Jahren mit Felipe wiedererkannte. Dazu gesellte sich Mercedes’ Gefühl, dass sie mit Andreas nicht über alles reden konnte, was sie bedrückte, weil er viel zu beschäftigt mit sich selbst war oder gleich so viel mit ihr unternahm, dass überhaupt keine Zeit mehr blieb, um über sich oder ihr eigenes Leben nachzudenken.
»Ich hab das Gefühl, ihn gar nicht richtig zu kennen«, fuhr Mercedes fort, und auch in diesem Punkt herrschte Übereinstimmung.
»Sein Vater war genauso«, gestand Lisa. »Ich hatte irgendwann kein Vertrauen mehr. Er hat sich mir gegenüber während unserer Ehe stets korrekt verhalten, und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass er mir nicht jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat, aber ich hab mitbekommen, wie rücksichtslos er anderen gegenüber sein konnte«, sagte Lisa.
»Man hat Angst, dass man auch eines Tages verletzt wird.« Mercedes brachte es auf den Punkt.
Weitere Kostenlose Bücher