Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
geschildert haben, wie sie wollte – ich durfte sie auf gar keinen Fall bloßstellen.
„Nun wollen wir hoffen, daß Lisbeth nicht zu lange trödelt“, sagte ich – denn etwas mußte ich ja sagen. „Sie pflegt übrigens ziemlich flink zu sein.“
„Spielt keine Rolle, gnädige Frau!“ Wieder lächelte er bestrickend. Allmählich wurde mir seine Art unangenehm. Daher stand ich auf und trat an das Fenster.
„Ärgerlich, daß mein Mann nicht zu Hause ist! – Ich dachte, er käme vielleicht gerade… Er hätte Sie sicher gern kennengelernt.“
Der junge Mensch war unermüdlich. Er folgte mir zum Fenster und stellte sich neben mich – etwas näher, als, streng genommen, nötig gewesen wäre. Auch das geschah wohl rein instinktiv, ohne daß er sich dabei etwas dachte. Aber mir genügte es, ihn zu beurteilen. Nun, ich tat, als sei mir nichts aufgefallen.
„Sie wollen also Lisbeth heute abend ausführen, Herr Boor?“
„Eine ganz harmlose Angelegenheit, gnädige Frau. Was Ihre Tochter betrifft, so können Sie sich vollständig auf mich verlassen.“
„Sie ist ja noch ein Kind!“ sagte ich. „Ein Schulmädchen!“ Ich bemühte mich, ein freundliches und unbeschwertes Lächeln zuwege zu bringen. „Morgen früh um halb neun muß sie in der Schule sein. Sorgen Sie bitte dafür, daß sie nicht zu spät nach Hause kommt.“
„Gnädige Frau, Sie können ganz beruhigt sein. Ich werde auf Lisbeth schon aufpassen…“
„Heute dauert es bei ihr übrigens recht lange“, sagte ich. „Sonst zieht sie sich viel schneller um.“
„Das schadet nichts, Frau Skar. Mit dem Wagen da sind wir in zehn Minuten in der Stadt.“
Er deutete mit einer Kopfbewegung auf seinen Zweisitzer. Der Gedanke, daß der Wagen sie in zehn Minuten nach der Stadt bringen sollte, war nicht sehr beruhigend für mich. Normalerweise brauchte man eine halbe Stunde.
Plötzlich verwandelte sich der junge Mann. Er riß das Fenster auf und rief: „Willst du dich mal sofort von dem Wagen fortscheren, du Lausebengel! Sonst komme ich ‘raus, und dann kannst du was erleben!“
Ich blickte nach draußen. Peik stand, aufs höchste erschrocken, neben Erlings Auto, das für einen aufgeweckten Jungen von sechs Jahren zweifellos eine große Versuchung bedeuten mußte.
„Komm herein, Peik!“ sagte ich.
Peik schien sich schnell zu beruhigen, als er hörte, daß meine Stimme ganz ungewöhnlich sanft klang.
Ich schloß leise das Fenster. Der Herr Autobesitzer war leicht errötet.
„Oh – verzeihen Sie – ich konnte ja nicht ahnen, daß es Ihr Sohn war… Ich bin es gewohnt, daß kleine Jungen an meinem Wagen herumspielen…“
„Jeder normale Junge muß ja vor einem solchen Auto in Ekstase geraten“, sagte ich, indem ich meine letzten Reste von Höflichkeit und Geduld zusammenkratzte.
Dann kam Peik herein, und ich war sehr freundlich zu ihm, als ich ihm auseinandersetzte, dieser Herr hier sei um sein Auto sehr besorgt, und deshalb dürfe er es nicht anfassen.
„Ich darf bei Morten immer aufsitzen“, sagte Peik hoffnungsvoll, indem er Erling Boor einen forschenden Blick zuwarf. Ich vermochte bei Boor keinerlei Reaktion festzustellen.
„Du, Peik! Du darfst dir einen Riegel Kochschokolade aus dem Büfett holen. Und dann kannst du Erna bitten, daß sie dir beim Ausziehen des Overalls und der Stiefel hilft und dir die Pantoffeln gibt.“
Peik trabte zielbewußt in das Speisezimmer und machte vor dem Büfett halt.
Endlich kam Lisbeth.
Lisbeth warf mir einen schnellen und flehenden Blick zu, als sie ins Zimmer trat. Der Grund war leicht zu entdecken. Sie hatte sich eines meiner Kleider angezogen. Es paßte ihr nicht schlecht, aber es wirkte bei einem siebzehnjährigen Mädchen viel zu erwachsen und herausfordernd. Daß sie sich über mein Parfüm hergemacht und meinen Lippenstift benutzt hatte, mochte noch angehen. Aber das mit dem Kleid gefiel mir nicht.
Doch etwas anderes gefiel mir noch weniger: sie vor ihrem Verehrer bloßzustellen. Ich fühlte mich mit Lisbeth solidarisch, obwohl ich mir völlig klar darüber war, daß sie mich und die Situation auf eine ziemlich lumpige Art ausgenutzt hatte.
„Gut, daß du kommst, Lisbeth!“ sagte ich. „Da braucht ihr doch wenigstens auf der Fahrt nach der Stadt keinen Schnelligkeitsrekord aufzustellen.“
„Aber Erling fährt doch so gut!“
„Daran zweifle ich nicht, meine Kleine. Aber man kann nie wissen, wie andere fahren! Du hast keine Garantie, daß der Fahrer in dem Auto, das an dir
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