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Listiger Freitag

Listiger Freitag

Titel: Listiger Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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frisch, zu flüchtig, um sie zu schmecken. Alte Sterbliche sind am besten. Ah, wie ich eine Lebenszeit von achtzig oder neunzig Jahren genieße, mit all den vielschichtigen Aromen von Liebe und Hoffnung und Kummer und Freude! Wenn doch nur der Geschmack länger anhielte! Ah, nun gut! Du hast mich beim Trinken ertappt, und ich glaube, an meinem Gaumen haftet noch etwas Melancholie … Ja, es stimmt mich recht traurig, dass der Geschmack der Leben, die ich koste, so rasch vergeht, und ich muss mich sehr beherrschen, nicht sofort noch mehr Sterbliche zu erfahren …«
    Sie hielt inne. Blatt konnte es nicht sehen, hatte aber den schrecklichen Verdacht, dass Lady Freitag sich die Lippen leckte.
    »Und nun zu dir, Fräulein Mischmichein Blatt! Ich habe dich hierhergebracht, weil ich zwar einen wirklich ausgezeichneten Plan habe, wie ich nicht nur deinen Freund Arthur, sondern auch noch mehrere andere Ärgernisse beseitigen kann, aber nicht so töricht bin, mich auf sein Gelingen zu verlassen. Meine Spione berichten mir, dass Arthur sehr an seinen Freunden hängt, dass er alles tun würde, um ihnen zu helfen. Daher wirst du als Köder für eine Falle dienen – oder als Verhandlungsargument oder als Geisel oder etwas ähnlich Nützliches, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Tu einfach, was dir gesagt wird, und lauf uns nicht vor den Füßen herum.«
    »Und wenn nicht?«, sagte Blatt, aber wieder hörte es sich nicht herausfordernd an, sondern kläglich und verzweifelt.
    »Du bist doch auch nicht dumm«, erwiderte Freitag. »So wie ich dich festhalte, um dich gegen Arthur zu benutzen, so halte ich auch jemanden fest, den ich gegen dich benutzen kann. Oder etwa nicht?«
    Blatt erstarrte und war nicht in der Lage, darauf etwas zu antworten.
    »Oder etwa nicht?«, fuhr Freitag sie an. »Eine Blutsverwandte, denke ich. Eine Tante Apfelsine oder Apfel oder irgend so ein Obstname.«
    »Mango«, wisperte Blatt. »Bitte … bitte erfahren Sie sie nicht!«
    Ich bettle, dachte sie und konnte nicht fassen, in welcher Lage sie sich befand. Ich bettle um Mangos Leben.
    »Ah, ich spüre den durchdringenden Geschmack noch auf den Lippen!«, rief Lady Freitag aus. »Das Gefühl hält länger an! Fast komme ich mir wie eine Sterbliche vor, und es muss mindestens eine Minute sein … Nein … es verblasst … Axilrad, ich muss noch einen Schub haben … Nein … zu früh … ich werde mich verausgaben … vielleicht sollte ich mich ablenken …«
    Blatt hörte, wie sich die Flügel der Treuhänderin entfalteten, und warf sich nach vorn auf den harten Stein.
    »Bitte! Tun Sie Tante Mango nichts!«
    »Deine Mango wird der letzte Gang in meiner Speisenfolge sein!«, rief Lady Freitag mit einem klaren, weit tragenden Lachen und schwang sich dann mit einem einzigen, mächtigen Schlag ihrer Schwingen hoch in die Luft.
    Blatt blieb auf dem Felsboden liegen und versuchte nicht zu schluchzen. Unbewusst griff sie an das Medaillon des Mariners und umklammerte es so fest, dass ihre Finger so weiß wie die Fischbeinscheibe wurden.
    So blieb sie wenigstens eine Minute lang liegen und ließ die Furcht allmählich verebben. Genauso allmählich kehrte ihre natürliche Courage und Entschlossenheit zurück. Jetzt, da Lady Freitag weg war, konnte sie wieder denken und zappelte nicht mehr in den Fesseln einer Panik, die sie so noch nie erlebt hatte.
    Solange Freitag nicht vor mir steht, kann ich tapfer sein, dachte Blatt. Sie unterdrückte einen Schluchzer . Das ist immer noch besser, als ein totaler Feigling zu sein, schätze ich. Ich muss ihr aus dem Weggehen …
    »Ich habs dir ja gesagt«, meinte Harrison mürrisch. »Ich nehme an, jetzt wirst du mir helfen, oder?«
    Blatt antwortete nicht. Langsam stand sie auf und sah zu dem Balkon am Kraterrand hinüber, wo soeben Lady Freitag und ihre Dienerschaft landeten. Sie beobachtete, wie sie hineingingen, und schenkte Harrison keine Beachtung.
    Wenn ich jetzt nachgebe, wird sie einfach Tante Mango trotzdem erfahren, dachte Blatt. Nachgeben funktioniert nie … und ich kann nicht zulassen, dass sie mich als Druckmittel gegen Arthur benutzt …
    »Ich meine, dass du mir jetzt lieber helfen solltest«, drängte Harrison und ging um sie herum, sodass er vor ihr stand und sie ihn nicht mehr ignorieren konnte.
    »Warum?«, wollte Blatt wissen. »Sie wird ihr Wort nicht halten. Außerdem wird es nicht mehr lang dauern, bis Arthur sie zur Schnecke macht. Sie wären gut beraten, mir zu helfen.«
    »Was?«, fragte Harrison

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