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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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blieb einen Moment stehen, und die Toten flossen um mich herum, so wie die schlammige braune Themse um den Pfeiler einer Brücke herumfließt.
    Wenn ich den Mädchen zu Hause diese Geschichte erzählen würde, müsste ich ihnen erklären, wie es möglich war, in einem Fluss aus Menschen zu ertrinken und sich dabei so ganz und gar allein zu fühlen. Aber ehrlich, ich glaube, dafür würde ich keine Worte finden.

    *

    Ich weiß noch, dass ich früh am Morgen von Andrews Begräbnis, noch bevor Little Bee kam, aus dem Schlafzimmerfenster unseres Hauses in Kingston-upon-Thames geschaut habe. Unten am Teich stach Batman mit einem Kindergolfschläger aus Plastik nach den Bösen. Er wirkte dünn und verloren. Ich fragte mich, ob ich ihm Milch warmmachen und etwas Gutes hineinrühren sollte. Ich weiß noch, dass ich überlegte, ob man irgendetwas in eine Tasse rühren kann, das eine praktische Hilfe wäre. Mein Kopf befand sich in jenem kristallinen, reflektierenden Zustand, der mit Schlafmangel einhergeht.
    Von hier aus konnte ich in die Gärten der ganzen Straße blicken, sie bildeten ein gekrümmtes grünes Rückgrat, die Wirbel bestanden aus Grills und verblichenen Plastikschaukeln. Durch die doppelverglasten Scheiben drang der Lärm einer Autoalarmanlage und das Dröhnen der Flugzeuge, die in Heathrow starteten. Ich drückte die Nase an die Scheibe und dachte: Diese verdammten Vororte sind das Fegefeuer. Wie hat es uns alle bloß hierher verschlagen? Warum enden so viele von uns so furchtbar weit draußen?
    Im Garten nebenan hängte mein Nachbar an jenem Morgen der Beerdigung seine blauen Unterhosen auf die Leine. Die Katze wand sich um seine Beine. Bei mir im Schlafzimmer lief Today im Radio. John Humphrys erklärte, der Footsie-Aktienindex sei ziemlich im Keller.
    Ja, aber ich habe meinen Mann verloren. Ich sprach es laut aus, während eine eingesperrte Fliege schwach gegen die Fensterscheibe flog. Ich sagte: Tut mir leid, mein Mann ist tot. Mein Mann, Andrew O'Rourke, der gefeierte Kolumnist, hat sich das Leben genommen. Und ich fühle ...
    Eigentlich wusste ich gar nicht, was ich fühlte. Für Kummer gibt es keine Erwachsenensprache. In den Nachmittagsshows machen sie das viel besser. Natürlich wusste ich, dass ich am Boden zerstört sein sollte. Dass mein Leben seine Grundlage verloren hatte. Nennen sie es nicht so? Aber Andrew war seit fast einer Woche tot, und meine Augen waren immer noch trocken. Das ganze Haus stank nach Gin und Lilien. Noch immer versuchte ich, angemessen traurig zu sein. Wühlte noch immer in den Erinnerungen meines kurzen, durchwachsenen Lebens mit dem armen Andrew. Suchte nach dem Schlussstein, der Erinnerung, die irgendein Symptom des Leidens auslösen würde, wenn ich sie aufbrach. Tränen vielleicht, unter unglaublichem Druck herausgepresst. Wissen Sie, Trisha, mein Leben geriet in eine schreckliche Abwärtsspirale. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, jetzt jeden Tag ohne ihn bewältigen zu müssen.
    Es war anstrengend, nach Trauer zu schürfen, wo vielleicht gar keine zu finden war. Womöglich war es einfach noch zu früh. Im Augenblick empfand ich mehr Mitleid mit der gefangenen Fliege, die vor dem Fenster summte. Ich öffnete den Riegel und ließ sie hinaus. Sie war, verletzlich und schwach, wieder im Spiel.
    Der Tag hinter dem Glas roch nach Sommer. Mein Nachbar hatte sich an seiner Wäscheleine einen Meter nach links bewegt. Mit den Unterhosen war er fertig. Jetzt kamen die Socken an die Reihe. Seine Wäsche hing da wie Gebetsfahnen, die den Göttern der Nachmittagsshows huldigten: Ich bin wohl leider in einen Vorort gezogen. Kann man da irgendetwas machen?
    Plötzlich tauchte ein Fluchtgedanke auf, frech und unangekündigt. Ich könnte einfach weggehen, auf der Stelle, oder nicht? Ich könnte Charlie, meine Kreditkarte und meine rosa Lieblingsschuhe nehmen und ins nächste Flugzeug steigen. Haus, Job und Trauer würden tief unter mir zu einem winzigen Punkt zusammenschrumpfen. Ich erinnere mich, dass ich mit schuldbewusster Erregung begriff, dass es keinen einzigen Grund mehr gab, weshalb ich hier sein musste - weit weg von der Mitte meines Herzens, gestrandet in den Vororten.
    Doch das Leben lässt uns ungern entkommen. In genau diesem Augenblick klopfte es. Ich machte auf, und Little Bee stand vor der Tür. Ich starrte sie eine Weile nur an. Keiner von uns sagte etwas. Schließlich ließ ich sie herein und setzte sie aufs Sofa. Schwarzes Mädchen in rot-weißem Hawaii-Hemd,

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