Little Bee
Als es zu wehtat, die Waschmittelpackung zu öffnen, benutzte ich die andere Hand.
Ich weiß noch, wie ich mit Charlie dasaß und zusah, wie das Wasser in die Maschine strömte und hinter der runden Glastür stieg. Die Maschine startete ruckelnd ihr übliches knirschendes Vorspiel, und Charlie und ich führten ein vollkommen normales Gespräch. Das war für mich der schlimmste Augenblick. Wir sprachen darüber, was wir zu Mittag essen wollten. Charlie sagte, er wolle Chips. Ich lehnte ab. Er beharrte darauf. Ich gab nach. Im Augenblick war ich nicht in der Lage, Widerstand zu leisten, das wusste mein Sohn ganz genau. Ich gestand ihm auch Tomatenketchup und Eis zu. Ich las Triumph in seinem Gesicht und Schrecken in seinen Augen. Mir wurde klar, dass sich für Charlie und mich hinter den ganz normalen Substantiven ein ganz und gar unnormaler Schmerz verbarg.
Wir aßen, und dann ging Little Bee mit Charlie in den Garten spielen. Ich war so auf meinen Sohn konzentriert gewesen, dass ich sie völlig vergessen hatte und über ihre Anwesenheit ganz erstaunt war.
Ich saß reglos am Küchentisch. Meine Mutter und meine Schwester waren mit uns aus der Kirche nach Hause gekommen und umkreisten mich auf einer Umlaufbahn aus Trostgesten und häuslichen Aktivitäten. Hätte man uns mit einer sehr langen Belichtungszeit fotografiert, wäre nur ich scharf zu erkennen gewesen, umgeben von einem geisterhaften Heiligenschein, azurblau wie die Strickjacke meiner Schwester und leicht schief von der Neigung meiner Mutter, sich mir am einen Ende ihrer Umlaufbahn zu nähern und zu fragen, ob mit mir alles in Ordnung sei. Ich glaube, ich habe sie kaum gehört. Sie tanzten eine Stunde um mich herum, respektierten mein Schweigen, spülten ohne unnötiges Geklapper die Teetassen, ordneten die Beileidskarten alphabetisch, mit einem Minimum an Geraschel, bis ich sie bat, nach Hause zu fahren, wenn sie mich liebten.
Nachdem sie gegangen waren, unter zärtlichen, langen Umarmungen, so dass ich schon bereute, sie verbannt zu haben, setzte ich mich wieder an den Küchentisch und beobachtete Little Bee, die im Garten mit Batman spielte. Es war wohl unverantwortlich von uns gewesen, unser Heim im Stich zu lassen und den ganzen Morgen bei einer Beerdigung zu verbringen. In unserer Abwesenheit waren ein paar Bösewichte der schlimmsten Sorte in den Lorbeerbusch eingedrungen und mussten jetzt mit Wasserpistolen und Bambusstöcken vertrieben werden. Es war eine gefährliche und mühsame Aufgabe. Zuerst kroch Little Bee auf allen vieren in den Lorbeer, der Saum ihres überdimensionierten Hawaii-Hemdes schleifte über die Erde. Wenn sie einen dort lauernden Bösen entdeckte, stürzte sie sich schreiend auf ihn und trieb ihn so ins Freie. Dort wartete mein Sohn schon mit der Wasserpistole, um ihm den Rest zu geben. Ich staunte, wie schnell die beiden ein Team geworden waren. Ich war mir nicht sicher, ob mir das gefiel. Doch was sollte ich machen? In den Garten gehen und sagen: Little Bee, könntest du bitte aufhören, dich mit meinem Sohn anzufreunden? Mein Sohn würde lautstark eine Erklärung fordern, und es hätte keinen Sinn, ihm zu sagen, dass Little Bee nicht auf unserer Seite stand. Nicht jetzt, wo sie gemeinsam so viele von den Bösen erledigt hatten.
Nein, es würde nicht mehr funktionieren, ich konnte weder sie noch das, was in Afrika geschehen war, weiter verleugnen. Eine Erinnerung kann man verbannen, sogar auf unbestimmte Zeit, sie durch unbarmherzige alltägliche Erfordernisse wie die Leitung eines erfolgreichen Magazins, die Erziehung eines Sohnes und das Begräbnis eines Ehemannes aus dem Bewusstsein abschieben. Ein menschliches Wesen ist jedoch etwas völlig anderes. Die Existenz eines nigerianischen Mädchens, das lebendig in meinem Garten stand - eine Regierung mag so etwas leugnen oder als statistische Anomalie abtun, doch ein Mensch kann das nicht.
Ich saß am Küchentisch und starrte aus plötzlich feuchten Augen auf den Stumpf, wo früher mein Finger gewesen war. Mir wurde klar, dass es endlich Zeit war, mich dem zu stellen, was am Strand geschehen war.
Es hätte natürlich gar nicht so weit kommen dürfen. Es gibt Länder auf der Welt und Regionen im eigenen Geist, die man nicht bereisen sollte. Davon war ich stets überzeugt, und ich habe mich immer als vernünftige Frau betrachtet. Unabhängig, aber nicht tollkühn. Ich wünschte, ich könnte fremde Gegenden auf Armeslänge von mir halten, wie es andere vernünftige Frauen
Weitere Kostenlose Bücher