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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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und als ich an Andrew dachte, fiel mir Little Bee ein. Lawrence lag mit mir im Bett, und ein Teil von mir dachte, Ob!, während ein anderer Teil daran dachte, dass ich am nächsten Morgen die Einwanderungsbehörde anrufen musste und Little Bees Papiere aufspüren und ihr einen Anwalt besorgen und ein Berufungsverfahren beantragen und ...
    Ich merkte, dass ich mich Lawrence nicht gänzlich hingeben konnte - jedenfalls nicht so rückhaltlos wie früher. Plötzlich erschien er mir zu leicht. Seine Finger berührten kaum meine Haut, als ob sie sich nicht mit meinem Körper befassten, sondern nur Linien in den feinen, unsichtbaren Staub zögen, in den Afrika mich gehüllt hatte. Und als er sein Gewicht auf mir verlagerte, war es, als würde ich von einer Sommerwolke oder einem Winterschmetterling geliebt - von einem Wesen jedenfalls, das nicht die Macht besaß, die Schwerkraft zu bezwingen und in diesem Augenblick zur absoluten Mitte zu werden. »Was ist los, Sarah?«
    Ich merkte, dass ich ganz starr dalag. »Oh, Himmel, es tut mir leid.«
    Lawrence hörte auf und rollte sich auf den Rücken. Ich nahm seinen Penis in die Hand, doch ich spürte bereits, wie die Schlaffheit in ihn zurückkehrte.
    »Bitte nicht«, sagte er.
    Ich ergriff stattdessen seine Hand, doch er zog sie weg. »Ich verstehe dich nicht, Sarah, ich verstehe dich wirklich nicht.«
    »Tut mir leid. Es ist wegen Andrew. Es ist einfach noch zu früh.«
    »Er hat uns nicht gehindert, als er noch lebte.«
    Ich dachte darüber nach. Draußen in der Dunkelheit stieg ein Jet von Heathrow auf, und zwei Eulen riefen einander verzweifelt über das Dröhnen hinweg. Ihr Geschrei erhob sich schrill vor dem Heulen der Turbinen.
    »Du hast recht. Es liegt nicht an Andrew.«
    »Woran denn dann ?«
    »Ich weiß es nicht. Ich liebe dich, Lawrence, ganz ehrlich. Ich habe nur so viel im Kopf.«
    »Wegen Little Bee ?«
    »Ja. Ich kann mich nicht entspannen. Es läuft alles immer und immer wieder in meinem Kopf ab.«
    Lawrence seufzte. »Und was ist mit uns?«, fragte er. »Glaubst du, du wirst in absehbarer Zeit wieder Energie für uns übrig haben?«
    »Natürlich werde ich das. Wir haben doch jede Menge Zeit, oder? Wir werden auch in sechs Wochen, sechs Monaten, sechs Jahren noch hier sein. Wir haben Zeit, um das alles zu verarbeiten. Wir haben Zeit, um herauszufinden, wie wir zusammen sein können, nun da Andrew nicht mehr da ist. Aber Little Bee hat diese Zeit nicht. Das hast du selbst gesagt. Wenn ich ihr nicht helfen kann, wird man sie finden und abschieben. Und dann ist sie weg, fertig, aus. Welche Zukunft hätten wir dann? Ich könnte dich nicht ansehen, ohne zu denken, dass ich mehr für sie hätte tun müssen. Soll das wirklich unsere Zukunft sein?«
    »Mein Gott. Warum kannst du nicht wie andere Leute sein und dich einen Scheiß darum kümmern?«
    »Langbeinige Blondine, mag Musik und Filme, sucht solventen Ihn für Freundschaft und mehr?«
    »Na gut. Ich bin froh, dass du keine von denen bist. Aber ich möchte dich auch nicht an ein Flüchtlingsmädchen verlieren, das ohnehin keine Chance hat, hier zu bleiben.«
    »Oh, Lawrence. Du wirst mich nicht verlieren. Aber du musst mich womöglich eine Weile mit ihr teilen.«
    Er lachte.
    »Was ist?«
    »Na ja, ist doch klassisch, oder? Diese Einwanderer kommen her, nehmen uns unsere Frauen weg ...«
    Lawrence lächelte, aber ich bemerkte, wie wachsam seine Augen blickten, wie undurchdringlich, und ich fragte mich, wie lustig er seinen Scherz wirklich fand. Es war seltsam, ihm gegenüber diese Ungewissheit zu spüren. Er hatte nie zuvor in irgendeiner Weise kompliziert gewirkt. Dann wurde mir klar, dass ich bisher auch keine komplizierten Gefühle in ihn investiert hatte. Vielleicht lag es an mir. Ich entspannte mich und lächelte zurück. Dann küsste ich ihn auf die Stirn.
    »Danke. Danke, dass du es mir nicht schwerer gemacht hast, als es schon ist.« Lawrence schaute mich an, und sein Gesicht war schmal und traurig im orangefarbenen Licht der Straßenlaternen, das durch die gelben Seidenrollos drang. Das Flattern in meinem Magen überraschte mich, und ich merkte, dass sich die Härchen an meinen Armen sträubten. ;
    »Sarah«, sagte er, »ich glaube ehrlich nicht, dass du weißt, ;
    wie schwer es ist.«

    *

    Sarah erzählte mir, weshalb sie die Affäre mit Lawrence begonnen hatte. Es war nicht schwer zu verstehen. Wir alle versuchen, in dieser Welt frei zu sein. Für mich bedeutet Freiheit einen Tag, an dem ich mich

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