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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Freigangsregelung mir nicht erlaubte, die Stadt zu verlassen.
    Sie hatten mich schließlich für schuldig befunden, Mashas Handy gestohlen zu haben. Ist das zu glauben? Die Staatsanwaltschaft hatte mit meiner Anwältin den Deal gemacht, dass man alle Anklagepunkte zu "elektronischem Terrorismus" und "Aufrührertum" fallen lassen würde, wenn ich mich im Gegenzug des minderschweren Diebstahls schuldig bekannte. Sie brummten mir drei Monate mit Freigang in einem Rehabilitationszentrum für jugendliche Straftäter in der Mission auf. Ich schlief im Wohnheim, in einem Gemeinschaftsschlafraum zusammen mit echten Kriminellen, Gang-Kids und Drogen-Kids, ein paar echten Bekloppten. Tagsüber war ich "frei", rauszugehen und in meinem "Job" zu arbeiten.
    "Marcus, sie lassen sie raus", sagte sie.
    "Wen?"
    "Johnstone, Carrie Johnstone. Das nichtöffentliche Militärtribunal hat sie von aller Schuld freigesprochen. Die Akte ist geschlossen, und sie kehrt in den aktiven Dienst zurück. Sie schicken sie in den Irak."
    Carrie Johnstone war der Name von Frau Strenger Haarschnitt. Das kam bei den vorläufigen Anhörungen am Kalifornischen Kammergericht heraus, aber das war auch schon so ziemlich das Einzige, was herauskam. Sie verweigerte jede Aussage darüber, von wem sie ihre Anweisungen erhalten hatte, was sie getan hatte, wer inhaftiert worden war und warum. Sie saß vor Gericht Tag für Tag einfach nur da, vollkommen schweigsam.
    Die Bundesbehörden hatten sich mittlerweile aufgeplustert und über die "einseitige, illegale" Schließung der Treasure-Island-Anlage seitens des Gouverneurs sowie über die Ausweisung der Bundespolizei aus San Francisco durch den Bürgermeister beschwert. Eine Menge dieser Bullen waren in kalifornischen Gefängnissen gelandet, ebenso wie die Wachen aus Gitmo-an-der-Bay.
    Dann kam einen Tag lang überhaupt keine Stellungnahme aus dem Weißen Haus und keine aus dem Staatskapitol. Und am nächsten Tag fand eine trockene, angespannte gemeinsame Pressekonferenz auf den Stufen des Gouverneurssitzes statt, bei der der Chef des DHS und der Gouverneur ihr "Übereinkommen" verkündeten.
    Das DHS würde ein nichtöffentliches Militärtribunal einberufen, um "mögliche Irrtümer in der Beurteilung" nach dem Anschlag auf die Bay Bridge aufzuklären. Das Tribunal würde jedes verfügbare Mittel einsetzen, um zu gewährleisten, dass kriminelle Handlungen angemessen bestraft würden. Im Gegenzug würde die Kontrolle über DHS-Operationen in Kalifornien an den Staatssenat übergehen, der die Macht haben würde, sämtliche Heimatschutzmaßnahmen im Bundesstaat zu beenden, zu untersuchen und neu zu bewerten.
    Der Aufschrei der Reporter war ohrenbetäubend gewesen, und Barbara hatte die erste Frage gestellt. "Mr. Gouverneur, bei allem gebotenen Respekt: Wir haben unwiderlegbare Videobeweise, dass Marcus Yallow, ein Bürger dieses Staates von Geburt an, einer simulierten Exekution ausgesetzt war, und zwar durch DHS-Beamte, die offenkundig auf Anweisung des Weißen Hauses handelten. Ist der Staat wirklich gewillt, jeden Anschein von Gerechtigkeit für seine Bürger im Angesicht illegaler, barbarischer Folter aufzugeben?" Ihre Stimme zitterte, aber sie brach nicht.
    Der Gouverneur breitete die Arme aus. "Die Militärtribunale werden der Gerechtigkeit Genüge tun. Wenn Mr. Yallow - oder irgendeine andere Person, die der Heimatschutzbehörde etwas vorzuwerfen hat - darüber hinaus Gerechtigkeit verlangt, so steht es ihm selbstverständlich frei, Wiedergutmachung einzuklagen, soweit sie ihm von seiten der Bundesregierung zusteht."
    Das tat ich auch. In der Woche nach der Ankündigung des Gouverneurs wurden mehr als zwanzigtausend Zivilklagen gegen das DHS erhoben. Meine wurde durch die ACLU vertreten, und man hatte bereits beantragt, Einsicht in die Ergebnisse der nichtöffentlichen Militärtribunale zu erhalten. Bislang standen die Gerichte diesem Ansinnen sehr wohlwollend gegenüber.
    Aber damit hatte ich nicht gerechnet.
    "Sie ist völlig ungeschoren rausgekommen?"
    "Die Pressemitteilung gibt nicht viel her. ,Nach gründlicher Untersuchung der Ereignisse in San Francisco und im Antiterror-Sonderlager auf Treasure Island ist dieses Tribunal zu dem Ergebnis gelangt, dass die Handlungen von Ms. Johnstone keine weiteren Disziplinarmaßnahmen rechtfertigen.' Da steht das Wort ,weiteren' - als ob man sie bereits bestraft hat."
    Ich schnaubte. Von Carrie Johnstone hatte ich seit meiner Freilassung aus Gitmo-an-der-Bay fast jede

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