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Little Brother

Little Brother

Titel: Little Brother Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Vanessa! Nie zuvor war ich so froh gewesen, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Sie sah übermüdet, aber nicht verletzt aus, und als sie mich sah, rief sie meinen Namen und rannte auf mich zu. Wir fielen einander um den Hals, und ich merkte, wie ich zitterte. Und sie zitterte ebenfalls.
    "Bist du okay?", fragte sie und betrachtete mich auf Armlänge Abstand.
    "Ich bin okay", entgegnete ich. "Sie sagten, sie würden mich rauslassen, wenn ich ihnen meine Passwörter gebe."
    "Sie fragen mich dauernd über dich und Darryl aus." Über Lautsprecher plärrte uns eine Stimme an, mit Reden aufzuhören und weiterzulaufen, aber wir ignorierten sie.
    "Antworte ihnen", sagte ich eilig. "Was auch immer sie fragen, gib ihnen Antwort. Vielleicht bringts dich raus."
    "Wie gehts Darryl und Jolu?"
    "Hab sie nicht mehr gesehen."
    Die Tür schwang auf, und vier riesige Wärter stürmten raus. Zwei schnappten mich und zwei Vanessa. Sie zwangen mich zu Boden und drehten meinen Kopf von Vanessa weg, doch ich konnte hören, wie man mit ihr das gleiche machte. Plastikhandschnellen schnappten um meine Handgelenke zu, dann wurde ich auf die Füße gezerrt und in meine Zelle zurückgebracht.
    An diesem Abend gab es kein Essen. Am nächsten Morgen gab es kein Frühstück. Niemand kam und brachte mich zum Befragungsraum, um weitere Geheimnisse aus mir rauszupressen. Die Plastikhandschellen bleiben dran, meine Schultern brannten, schmerzten, wurden taub, brannten wieder. In den Händen hatte ich überhaupt kein Gefühl mehr.
    Ich musste mal pinkeln. Aber ich konnte die Hose nicht aufmachen. Ich musste richtig, richtig dringend pissen. Ich machte mir in die Hose.
    Danach kamen sie, um mich zu holen; als die warme Pisse kalt und klamm geworden war und meine sowieso schon dreckige Jeans an meinen Beinen klebte. Sie holten mich und brachten mich den langen Gang mit den vielen Türen runter, jede Tür ihr eigener Barcode, jeder Barcode ein Gefangener wie ich. Sie brachten mich den Gang runter und ins Befragungszimmer, und es war, als käme ich auf einen anderen Planeten, einen Ort, wo Dinge normal liefen, wo nicht alles nach Urin roch. Ich fühlte mich so dreckig und beschämt, und all die Gefühle, dass ich vielleicht doch verdient hätte, was mit mir geschah, kamen wieder hoch.
    Frau Strenger Haarschnitt saß bereits. Sie sah perfekt aus: frisiert und nur ein Hauch Make-up. Ich roch das Zeug, das sie in den Haaren hatte, und sie rümpfte die Nase über mich. Ich fühlte Scham in mir aufsteigen.
    "Na, du warst ein sehr ungezogener Junge, nicht wahr? Uhh, was bist du nur für ein schmuddeliger Kerl."
    Ich blickte beschämt zum Tisch. Hochzuschauen ertrug ich nicht. Ich wollte ihr mein E-Mail-Passwort verraten und dann nix wie raus hier.
    "Worüber hast du dich mit deiner Freundin im Hof unterhalten?"
    Ich lachte kurz in Richtung Tisch. "Ich hab ihr gesagt, sie soll die Fragen beantworten. Dass sie kooperieren soll."
    "Ach, du gibst hier also die Befehle?"
    Das Blut pulsierte in meinen Ohren. "Ach Quatsch", sagte ich, "wir spielen da dieses Spiel, Harajuku Fun Madness. Ich bin der Teamchef. Wir sind keine Terroristen, wir sind bloß Schüler. Ich geb ihr keine Befehle, ich hab ihr bloß gesagt, dass wir ehrlich zu Ihnen sein müssen, damit wir jeden Verdacht ausräumen können und wieder hier wegkommen."
    Für einen Moment sagte sie nichts.
    "Wie gehts Darryl?", fragte ich.
    "Wem?"
    "Darryl. Sie haben uns zusammen aufgelesen. Mein Freund. Irgendjemand hat ihm in der Station Powell Street einen Messerstich verpasst. Deshalb waren wir ja bloß oben. Um Hilfe für ihn zu holen."
    "Na, dann bin ich sicher, ihm gehts gut", sagte sie.
    Mein Magen verkrampfte sich, fast musste ich würgen. "Sie wissen es nicht? Sie haben ihn nicht hier?"
    "Wen wir hier haben und wen nicht, das besprechen wir ganz sicher nicht mit dir, niemals. Das geht dich überhaupt nichts an. Marcus, du hast gesehen, was passiert, wenn du nicht mit uns kooperierst. Und du hast gesehen, was passiert, wenn du unsere Anweisungen missachtest. Du warst ein bisschen kooperativ, und damit hast dus bis fast dahin gebracht, dass wir dich wieder freilassen. Wenn du möchtest, dass diese Möglichkeit Realität wird, dann bleib einfach dabei, meine Fragen zu beantworten."
    Ich sagte nichts.
    "Du lernst. Das ist gut. Jetzt bitte deine E-Mail-Passwörter."
    Ich war drauf vorbereitet. Ich gab ihnen alles: Server-Adresse, Login, Passwort. Das war eh egal. Auf meinem Server speicherte ich keine E-Mails. Ich

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