Little Brother
an. Okay, ich hatte sie darum gebeten, ein paar ziemlich abgefahrene Sachen zu machen, aber trotzdem...
Kapitel 11
Jolu stand auf. "Jetzt wird's ernst, Leute. Jetzt sehen wir, aufwelcher Seite ihr seid. Vielleicht habt ihr keine Lust, für eure Überzeugungen auf die Straße zu gehen und dafür hopsgenommen zu werden, aber wenn ihr Überzeugungen habt, dann wird es uns das zeigen. Das hier wird das Web of Trust knüpfen, das uns zeigt, wer drin und wer draußen ist. Wenn wir unser Land jemals zurückbekommen wollen, dann müssen wir das tun. Wir müssen einfach etwas wie das hier tun."
Jemand in der Menge - es war Ange - hob eine Hand mit einer Bierflasche.
"Nennt mich blöde, aber ich versteh das kein Stück. Warum wollt ihr, dass wir das machen?"
Jolu schaute mich an, und ich erwiderte den Blick. Als wirs organisierten, hatte alles so offensichtlich ausgesehen. "Das Xnet ist nicht bloß eine Möglichkeit, gratis zu spielen. Es ist das letzte offene Kommunikationsnetzwerk in Amerika. Es ist die letzte Möglichkeit, miteinander zu reden, ohne vom DHS dabei überwacht zu werden. Und damit das so bleibt, müssen wir wissen, dass derjenige, mit dem wir grade sprechen, kein Schnüffler ist. Das bedeutet, wir müssen wissen, dass die Leute, denen wir Nachrichten schicken, tatsächlich die sind, für die wir sie halten.
Und hier kommt ihr ins Spiel. Ihr seid alle hier, weil wir euch vertrauen. Ich meine, wirklich vertrauen. Vertrauen auf Leben und Tod."
Ein paar Leute stöhnten. Das klang so melodramatisch und dumm.
Ich stand wieder auf.
"Als die Bomben hochgingen", sagte ich, und da begann sich etwas in meiner Brust zu regen, etwas Schmerzhaftes. "Als die Bomben hochgingen, da sind vier von uns auf der Market Street gefangen genommen worden. Aus irgendeinem Grund war das DHS der Meinung, wir hätten Verdacht erregt. Die haben uns Tüten über den Kopf gezogen, auf ein Schiff gebracht und tagelang verhört. Die haben uns erniedrigt und Psychospielchen mit uns gespielt. Dann haben sie uns gehen lassen.
Uns alle außer einem. Meinem besten Freund. Er war bei uns, als sie uns einkassiert haben. Er war verletzt und brauchte ärztliche Hilfe. Und er kam nie wieder raus. Sie behaupten, sie hätten ihn nie gesehen. Sie sagen, wenn wir je irgendwem davon erzählen, dann verhaften sie uns und lassen uns verschwinden.
Für immer."
Ich zitterte. Diese Scham. Diese verdammte Scham. Jolu hielt mit der Lampe auf mich.
"Oh Gott", sagte ich. "Ihr hier, ihr seid die ersten, denen ich das erzähle. Wenn diese Story die Runde macht, dann könnt ihr drauf wetten, dass die rauskriegen, wer undicht war. Dann könnt ihr drauf wetten, dass sie kommen und an meine Tür klopfen." Ich atmete ein paar Mal tief durch. "Deshalb engagiere ich mich im Xnet. Und deshalb ist mein Leben von jetzt an dem Kampf gegen das DHS gewidmet. Mit jedem Atemzug, an jedem einzelnen Tag. Bis wir wieder frei sind. Jeder von euch könnte mich jetzt in den Knast bringen, wenn er wollte."
Ange hob wieder die Hand. "Wir verpfeifen dich nicht", sagte sie. "Kein Stück. Ich kenn hier so ziemlich jeden, und so viel kann ich dir versprechen. Ich hab zwar keine Ahnung, woran man jemanden erkennt, dem man vertrauen kann, aber ich weiß, wem man nicht vertrauen kann: alten Leuten. Unseren Eltern. Erwachsenen. Wenn die an jemanden denken, dem nachspioniert wird, dann denken die an jemand anderen, irgendeinen Bösen. Wenn sie an jemanden denken, der gefangen und in ein Geheimgefängnis verschleppt wird, dann ist das immer ein anderer - ein Junger, ein Farbiger, ein Ausländer.
Sie haben vergessen, wie es ist, in unserem Alter zu sein. Einfach ständig unter Generalverdacht zu sein! Wie oft steigst du in den Bus, und alle starren dich an, als ob du Bröckchen rülpst und Hunde quälst?
Und noch schlimmer: Die werden immer früher und früher erwachsen. Früher hieß es mal, ,trau keinem über 30'.
Ich sage: ,Trau keinem Mistkerl über 25'."
Alle lachten, und sie lachte mit. Sie war auf eine merkwürdige Weise hübsch, ihr langes Gesicht und die kräftigen Kiefer gaben ihr entfernt was von einem Pferd. "Ich mein das nicht als Witz, wisst ihr? Ich meine, denkt mal drüber nach. Wer hat denn diese Arschgeigen gewählt? Wer hat ihnen gesagt, dass sie unsere Stadt besetzen sollen? Wer hat denn dafür gestimmt, Kameras in unseren Klassenräumen aufzuhängen und uns mit ihren ekligen Schnüffelchips in unseren Transitpässen und Autos überall hinterher zu rennen? Das
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