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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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anrief. Allerdings war meine Anwesenheit für die anderen kein Trost.
    Sechs Stunden nachdem Rae sich in Luft aufgelöst hatte, wurde ihr Zimmer erst von der Polizei durchsucht und dann von jedem Familienangehörigen einzeln durchwühlt. Sachdienliches wurde dabei nicht entdeckt, aber die Polizei fand in einem ausgehöhlten Algebrabuch rund zweitausend Dollar in bar, was natürlich Fragen aufwarf. Und schließlich zu einer längeren Auseinandersetzung zwischen unseren Eltern und David führte.
    Zwölf Stunden später hatten Milo und Jake Hand die ganze Stadt mit Vermisstenmeldungen gepflastert. Mom und ich hielten unterwegs jeweils vier Stunden Ausschau nach Raes blaugestreiftem T-Shirt. Solche Details fallen uns immer ein. Dad bat sämtliche Privatdetektive, denen er mal einen Gefallen getan hatte, um Unterstützung. Obwohl er sich dagegen verwahrte, bestand die Polizei darauf, jedes Familienmitglied zu überprüfen und zu vernehmen. Danach knöpfte man sich die Klassenkameraden und andere Bekannte vor. Jede Spur verlief im Sand. David setzte zweihunderttausend Dollar Belohnung aus. Onkel Ray ging mit Gott einen Handel ein:Sollte seine Nichte je wieder lebend nach Hause kommen, würde er eine Entziehungskur machen.
    Am dritten Tag hatte ich seit zweiundachtzig Stunden nicht geschlafen, war nur hin und wieder kurz eingedöst, aber das reichte bei weitem nicht aus, mein rissiges Nervenkostüm zu kitten.
    Nach dem Ende meiner Befragung durch Inspektor Stone fuhr ich direkt zum Philosopher’s Club und setzte mich an die Bar. Milo schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. Als er gerade nicht hinsah, tat ich einen Schuss Whiskey dazu. So bleich, wie Milo aussah, hatte er bestimmt auch kein Auge zugetan. Er gab sich die Schuld an Raes Verschwinden, eine Schuld, an der er schwer zu tragen hatte.
    »Geh nach Hause, Izzy«, sagte er. »Du siehst furchtbar aus.«
    »Immer noch besser als du«, sagte ich.
    »Aber nur, weil du die Hübschere bist.«
    Eine Stunde und drei verstohlene Irische Whiskeys später betrat Daniel die Bar.
    »Komm, Isabel, wir gehen.«
    Es entging mir nicht, dass beide Männer einander verschwörerisch zunickten. Ich drehte mich zu Milo.
    »Du hast ihn angerufen?«
    »Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    Daniel nahm mich beim Arm. »Du brauchst Schlaf, Isabel.«
    Er brachte mich in seine Wohnung, gab mir eine Schlaftablette und bezog das Bett im Gästezimmer frisch. Kurz bevor ich einschlief, hörte ich ihn noch mit meiner Mutter telefonieren, er versicherte ihr, dass mit mir alles in Ordnung sei.
    Ich schlief acht Stunden durch. Als ich aufwachte, war ich allein in der Wohnung. Daniel hatte mir eine Reihe von Notizen – vor allem Pfeile – hinterlassen, die mich direkt in die Küche führten. Dort erwarteten mich Rührei mit Speck und Toast. Den Toast aß ich, das Übrige entsorgte ich. Die künstlich herbeigeführte Nachtruhe hatte mir zum Glück wieder einen klaren Kopf geschenkt. Seit Wochen war ich praktischnicht mehr in der Lage gewesen, mit ruhiger Hand zu lenken. Ich musste dringend an die Arbeit. Inzwischen waren seit dem Verschwinden meiner Schwester vier Tage verstrichen.

D ER F ALL S NOW
K APITEL 9
    Ich wollte Raes Fall mit Logik angehen. Bisher hatte mein einziger Anhaltspunkt reinen Zufallscharakter: Etwa zeitgleich mit Raes Verschwinden ruft mich eine Person an, die angeblich alle Fragen im Fall Snow klären kann. Der Faden war dünn, zugegeben, aber etwas anderes stand mir nicht zur Verfügung. Es war vor allem mein Instinkt, der mich dazu anhielt.
    Ein Detail im Fall Snow war mir bereits früher aufgefallen – der Geschichtsprofessor, der am Morgen nach Andrews Verschwinden zwei junge Männer gesehen haben wollte, die sich gemeinsam auf die Suche gemacht hatten. Zunächst hatte ich diese Aussage verdrängt, weil die Diskrepanz so leicht zu erklären war: Auf das Gedächtnis kann man sich generell nicht verlassen. Da ich aber keine andere Spur zu verfolgen hatte, wollte ich das jetzt überprüfen. Von Daniels Wohnung aus fuhr ich mit der Bahn nach West Portal, fand mein Auto an der dritten Straßenecke vor der Bar, warf das Knöllchen weg und fuhr nach Hause. Dort nahm ich mir wieder die Snow-Akte vor, die ich in meiner abgeschlossenen Schreibtischschublade verwahrte. Ich wollte den Namen des Professors nachschlagen, einen dieser Namen, die man leicht wieder vergisst.
    Günstigerweise hatte Horace Greenleaf einen Lehrstuhl in Berkeley inne. Ich erkundigte mich telefonisch nach seinen

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