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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Lutz
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während der ganzen Highschool-Zeit mit Andrew gemeinsam Englischunterricht hatte, charakterisierte ihn als kommunikativ und sensibel, allerdings auch als dauerbekifft.Sharon Kramer, ein Nachbarmädchen, das früher mal mit Martin zusammen war, charakterisierte Andrew als nachdenklichen und eher traurigen Menschen. Auf mein Bohren hin erklärte sie, er schien sich in seiner Haut nicht wohl zu fühlen, als passte er nicht hinein. Fast alle Befragten hatten häufiger mitbekommen, wie Andrew kiffte, aber keiner wusste, ob er auch zu härteren Drogen gegriffen hatte. Auf meine Frage, ob man ihn jemals verbal oder tätlich angegriffen hatte, bekam ich von allen ein lautes Nein zu hören.
    Keiner hätte es gewagt, Andrew etwas zuleide zu tun, aus Angst vor Martins Reaktion – der zu den beliebtesten Schülern gezählt hatte. Er war Klassensprecher, dazu Mitglied des Leichtathletik-Teams, des Debattierclubs und der Fußballmannschaft gewesen. Als ich nach Freunden und Bekannten von Martin fragte, fiel noch einmal der Name Greg Larson.
    Allerdings hatte Greg Larson meine ersten drei Kontaktversuche ignoriert. Zeit für einen Strategiewechsel. Als ich ihn vor Ort und unter falschem Namen anrief, wurde ich endlich zu ihm durchgestellt. Ich gab mich zu erkennen, dann bat ich ihn um ein Treffen, das er mir widerwillig gewährte. Am nächsten Tag suchte ich Sheriff Larson in seiner Dienststelle auf.
    Er begrüßte mich am Eingang mit festem Händedruck, ein hochgewachsener, hagerer Mann, über dessen markanten Knochenbau sich eine dünne Haut spannte. Die Uniform ließ ihn nicht attraktiver erscheinen, nur strenger. Er führte mich in ein winziges Büro ganz am Ende des Flurs. Dort legte er die Füße auf den Schreibtisch und zog einen Zahnstocher aus der Tasche. Ich verzichtete auf Vorgeplänkel.
    »Wie haben Sie die Snow-Brüder kennengelernt?«
    Larsons enorme Gelassenheit war mir nicht geheuer. Alles, was er tat, schien in Zeitlupe zu erfolgen, selbst wenn ich anhand einer Stoppuhr sicher festgestellt hätte, dass er sich nicht langsamer bewegte und nicht langsamer sprach als andere. Trotzdem weckte seine kühle Art von Anfang an meinen Argwohn.
    »Wir waren Nachbarn«, erwiderte Larson.
    »Waren Sie oft bei den Snows?«
    »Nein.«
    »Verstehe. Ist ja auch kein Ort zum Spielen.«
    »Nein.«
    »Und Ihre Mutter hatte nichts gegen die Snow-Jungen?«
    »Nein.«
    »War Andrew schwul?«
    »Wie bitte?«, fragte der Sheriff, nach wie vor mit unbewegter Miene.
    »Alle Befragten heben seine Sensibilität hervor. Das kann man auch als Andeutung verstehen.«
    »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht war er unglücklich. Vielleicht ist er nicht verschwunden, sondern hat einfach Selbstmord begangen.«
    »Kann sein.«
    »Hat Andrew Drogen genommen?«
    »Kann sein, dass er hin und wieder eine Tüte geraucht hat.«
    »Auch härtere Sachen?«
    »Kann sein.«
    »Wo hatte Andrew den Stoff her?«
    »Keine Ahnung.«
    »Geben Sie Bescheid, falls Sie doch mal eine Ahnung überkommt.«
    »Aber sicher.«
    »Ist Ihnen eigentlich egal, was aus Andrew geworden ist?« Larsons einsilbige Coolness ging mir allmählich auf die Nerven.
    »Ist mir nicht egal.«
    »Wie oft waren Sie mit den Snow-Brüdern zelten?«
    »Oft.«
    »Als Andrew verschwand, waren Sie aber nicht dabei?«
    »Nein.«
    »Wo waren Sie dann?«
    »Wann?«
    »Am Wochenende, als Andrew verschwand.«
    »Bei meinem Onkel.«
    »Wo?«
    »In der Stadt.«
    »Haben Sie zu Martin noch Kontakt?«, wechselte ich das Thema. Wenn ich wegen des Alibis zu sehr bohrte, wäre das Gespräch gleich beendet.
    »Hin und wieder.«
    »Mich ruft er nie zurück.«
    »Wahrscheinlich findet er, dass Sie Ihre Zeit vergeuden. Oder seine.«
    »Finden Sie das auch, Sheriff?«
    »Ja. Finde ich.«
    »Ich denk drüber nach«, sagte ich und stand auf. »Eine letzte Frage, Sheriff.«
    Mit einem leichten Zucken der Augenbraue gestand er sie mir zu.
    »Spielt Joseph Snow eigentlich Golf?«
    »Wär mir neu.«
    Nach einer kurzen Nacht war ich am nächsten Morgen früh im Büro. Meine Mutter saß schon an ihrem Schreibtisch, um eine Reihe von Routine-Überprüfungen für einen unserer wichtigsten Firmenklienten durchzuführen. Kaum hatte ich meinen Computer hochgefahren, war es mit der Ruhe vorbei.
    »Wie läuft der Fall Snow?«, fragte sie beiläufig.
    »So gut wie erwartet.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ich werde ihn nicht finden, Mom.«
    »Das verlangt ja keiner.«
    Die Akte enthielt unter anderem die Sozialversicherungsnummern

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