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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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Miller war unterbrochen. Mike lehnte sich in dem Sessel zurück, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Die Bluescreen hinter ihm flimmerte auf den Monitoren auf, als er mit seinem Finger an dem Ohrkopfhörer kratzte, das kleine, weiße Kabel an seinem Nacken erneut befestigte und dafür sorgte, daß die dünne Schnur nicht auf den Kameraeinstellungen zu sehen war. Ein zweiter Griff zu seiner Krawatte, die er etwas lockerte und darunter den obersten Knopf seines italienischen Hemdes öffnete, dann ein Kratzen an den wenigen Bartstoppel, die sich an seinem Kinn gebildet hatten.
     
    „Vielleicht sollten wir sie abziehen, Claire“, meinte er laut.
     
    Stille als Antwort.
     
    „Wenn willst du denn draußen haben, Mike?“ kam dann die Stimme der Produzentin, nur unwesentlich verzerrt durch die Studiolautsprecher.
     
    „Wen kannst du anbieten?“
     
    „Niemanden, der auch nur halb so gut ist. Du solltest ihr eine Chance geben. Sie ist besser als Luescher. Sie ist besser als alle der Reporter, die die anderen Stationen draußen haben.“
     
    „Sie hat Skrupel.“
     
    „Genau das, was ich meine, Mike.“
     
    „Scheiße auf Skrupel“, meinte Mike mit einem Knurren, „kannst du dir vorstellen, was passiert wäre, wenn CNN ein Interview mit einem direkt Betroffenen gehabt hätte, Claire?“
     
    Stille.
     
    „Ich kann es dir sagen. Es wäre egal gewesen, daß wir die Story als erste gehabt haben. Das wären Bilder gewesen, die in jeder Nachrichtensendung auf der Welt gezeigt worden wären.
     
    „Du hättest es gemacht“, sagte Claire über die Lautsprecher.
     
    „Natürlich hätte ich es gemacht. Jeder gute Reporter hätte es gemacht. Ich will, daß du Miller abziehst und durch jemand anders ersetzt.“
     
    „Vielleicht durch dich selbst, Mike?“ meinte Claire spöttisch. „Das ist es, was du willst. Rausgehen. Vielleicht deine letzte große Chance, noch einmal im Fronteinsatz zu sein, bevor es zu spät ist. Bevor dich der Sender in irgendeiner Late-Night-Talk-Show einsetzt. Bevor sie dich von den wirklichen Nachrichten abziehen und dich in die Unterhaltung stecken. Bevor du wirklich zu alt bist, um draußen auf den Straßen zu sein. Kleiner Anfall von Midlife-Crisis, eh?“ 
     
    „Zieh sie ab, Claire.“
     
    „Nein.“
     
    Mike fluchte, drehte sich auf dem Sessel um und starrte hinter sich auf die blaugefärbte Wand des Studios. Dann kaute er mit einer unglaublichen Konzentration an seinen Fingernägeln. Wartete. Knurrte und schüttelte den Kopf, bevor er den Sessel wieder zurückdrehte, so daß Claire auch sein Gesicht auf ihren Monitoren sehen konnte.
     
    „Es ist deine Verantwortung, Claire.“
     
    „Und deshalb bin ich die Produzentin und du der Moderator. Nicht umgekehrt. Also erzähl mir nicht, wie ich meinen Job zu machen habe, okay? Ich liefere dir genau das, was wir brauchen, nicht das, was du willst.“
     
     
     
    02:48
     
    Die Pizza war geliefert worden, zehn große Portionen Thunfisch-Ananas-Schinken, drei davon mit Extrakäse. Der kleine Lieferwagen des Pizza Service stand hinter der Absperrung, der Lieferant war ein junger, pickelgesichtiger Mexikaner, der kaum englisch verstand und mit einem seltsamen Kauderwelsch antwortete, wenn sich jemand mit ihm unterhalten wollte.
     
    Das chinesische Essen war schon vor knapp zehn Minuten angeliefert worden, vom kleinen Restaurant vier Straßen weiter. Die einzelnen Tüten waren aus braunem Papier, jede mit chinesischen Schriftzeichen bedruckt, die sich über eine ganze Seite herunterzogen. Joe hörte nur mit halbem Ohr hin, als der Mexikaner sich mit einigen der Polizisten unterhielt.
     
    „Que pasá, Senór. 140 Dollar.“
     
    Officer Cohen zeigte ein gequältes Gesicht.
     
    „Setzen Sie‘s auf die Rechnung der Stadt New York, Mann“, war die schroffe Antwort des jungen Mannes. Der Mexikaner schüttelte nur den Kopf und weigerte sich beharrlich, die Pappschachteln mit den Pizzen herzugeben.
     
    „Nicht bezahlen“, litanierte er, „nicht bekommen.“
     
    Joes Aufmerksamkeit war auf die Aufnahme des Funkverkehrs gerichtet. Er hatte sich einen Kopfhörer halb gegen sein rechtes Ohr gepreßt und hörte sich die Aufnahme an, immer und immer wieder. Seine Finger stoppten die digitale Aufnahmen, spulten sie zurück, noch einmal anhören, stop, wieder zurück, nochmal.
     
    In seinem Ohr, in seinem Kopf war eine junge Frau -
     
    „Der ältere Polizist ist tot. Der andere…hat einen Bauchschuß. Ich kann von hier

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