Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
ein römisches Gericht zu der Erkenntnis, dass nur zwei der Mossad-Agenten, die Zuaiter exekutierten, sicher zu identifizieren seien: Jonathan Ingleby und Dan Aerbel alias Dan Ert. Aber auch gegen sie würden die Beweise für eine Mordanklage in Abwesenheit nicht ausreichen.
Mitte November 1972 taucht der Agent, der sich Ingleby nennt, erneut auf, diesmal in Paris. Kidon hat es auf den Geschichtsdozenten Dr. Mahmoud Hamshari abgesehen, den inoffiziellen Abgesandten der PLO respektive Fatah. Er soll angeblich seine Wohnung als Waffenlager für terroristischeAnschläge des »Schwarzen September« zur Verfügung gestellt haben, nach Darstellung von Moti Kfir stand er »ständig in Kontakt mit Ali Salameh«, also Abu Hassan. Hamshari lebt ohne Personenschutz in der Rue d’Alésia, ist also ebenfalls ein »weiches Ziel«. Sylvia Rafael sei als Fotografin Patricia Roxburgh eine Art »Venusfalle« für den Mord in Paris gewesen, schreibt Kfir. Sie habe Hamshari mit einem Interview für ihre Agentur Delmas ködern und dafür in ein nahegelegenes Café schleusen sollen. In der Zeit ihres Gesprächs sollten Mossad-Agenten der Abteilung Keshet, die auf Einbrüche spezialisiert ist, in die Wohnung des Opfers eindringen, um das Telefon mit einem Sprengsatz zu präparieren. Andere Darstellungen sprechen von einem männlichen Agenten, der Hamshari als »italienischer Reporter« aus seinem Apartment gelockt habe. Dass Sylvia Rafael unter ihrer Legende für die tatsächlich existierende Agentur Demas als Lockvogel eingesetzt wurde, noch dazu in Paris, wäre der größte denkbare Verstoß gegen alle Regeln des klandestinen Gewerbes gewesen, schließlich hätte sie jemand im Café zusammen mit Hamshari erkennen können. Auch hier sind deshalb erhebliche Zweifel an Kfirs Ausführungen begründet.
Sicher scheint indes der weitere Ablauf der Exekution: Am Tag nach seinem Treffen, es ist der 8. Dezember 1972, ruft der vermeintliche Journalist noch einmal in der Wohnung des Palästinensers an.
»Monsieur Hamshari, sind Sie es?«
»Ja, am Apparat!«
Dann zündet der Sprengsatz. Der Palästinenser erliegt drei Wochen später seinen Verletzungen.
Mahmoud Hamshari ahnte, dass die Israelis ihn im Visier hatten: Wochen zuvor, unmittelbar nach dem Tod von Wael Zuaiter, war er nach Rom geflogen, um sich um dessen Beerdigung zu kümmern. Janet Venn-Brown und andereFreunde erinnerten sich später, Hamshari habe sich damals große Sorgen um seine Sicherheit gemacht und davon gesprochen, es gebe eine black list mit etwa dreißig Personen, die der Mossad umbringen wolle.
Die schwarze Liste wird in den Monaten nach Hamsharis gewaltsamem Tod weiter von der Caesarea-Einheit und den Kidon-Killern abgearbeitet. Am 25. Januar 1973 stirbt im Hotel Olympic in Nikosia auf Zypern Hussein al-Bashir, Verbindungsmann der Fatah zum KGB.
Im Juni 1973 kommt es erneut zu einer Exekution in Paris: Mohammed Boudia, ein linker algerischer Intellektueller, Amateurschauspieler und Manager eines kleinen Theaters, weiß, dass sie hinter ihm her sind. Er wird das erste Opfer der Mossad-Hinrichtungskampagne, das tatsächlich in Terroraktivitäten gegen Israel verwickelt ist und mit Abu Hassan in enger Verbindung steht. Boudia liebt es, mit möglichen Verfolgern Katz und Maus zu spielen. Wenn er die Nacht bei einer Frau verbracht hat, verlässt er ihre Wohnung am nächsten Morgen in der Verkleidung eines älteren Mannes, um einer möglichen Überwachung zu entgehen. Tatsächlich führt Boudia, der Schwerenöter, die Caesarea-Agenten, die sich auf seine Spur gesetzt haben, einige Male in die Irre – und entgeht dennoch seinen Mördern nicht. Capture point nennen die Caesarea-Agenten jenen Punkt, an dem eine Zielperson früher oder später auftauchen wird. Bei Boudia ist es sein Wagen. Am 28. Juni 1973 stirbt der Algerier durch die Explosion einer Autobombe. Es ist offensichtlich das Werk der gleichen Gruppe, auf deren Konto schon der Mord an Wael Zuaiter in Rom gegangen ist.
Bei den polizeilichen Ermittlungen über die europäischen Grenzen hinweg ergaben sich im Herbst 1973 erste Anzeichen für einen Serienmord: In Rom hatten Jonathan Ingleby und Dan Aerbel alias Dan Ert im Oktober 1972 das Fluchtfahrzeug angemietet, im November 1972, kurz vor dem Anschlag auf Hamshari, stiegen beide in einem Pariser Hotel ab, verschwanden dann wieder von der Bildfläche und kehrten im Mai 1973, kurz vor der Boudia-Exekution, nach Paris zurück; zur gleichen Zeit nahm sich Sylvia
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