Lob der Faulheit
einsehen. Andererseits bin ich nicht bereit, es nur auf das System zu schieben. Die Mehrheit der Eltern, LehrerInnen und ArbeitgeberInnen glaubt tatsächlich noch, dass am Bestehenden nicht gerüttelt werden dürfe. Sie setzen sich mit aller Macht für Fleiß, Disziplin und Willensstärke ein, weil sie das für richtig halten.
So bleibt im Moment nur die Erkenntnis: Jeder ist motiviert. Leider nimmt unsere Gesellschaft keine Rücksicht darauf.
Der Glückseligkeit folgen
Positive Faulheit ist ein Vergnügen. Man macht, wozu man Lust hat. Eine einfachere Formel für ein gutes Leben ist nicht denkbar. Aber hat man denn zu allem Lust? Was ist mit den Notwendigkeiten? Ich glaube, diese Fragen entstehen nur, wenn man die Pflichten überschätzt. Nicht alles, was dringlich oder unerlässlich erscheint, ist es tatsächlich. Außerdem lässt sich das Nützliche oft mit dem Angenehmen verbinden.
Essen ist notwendig. Zugleich ist es lustvoll, vorausgesetzt man versteht es, etwas Leckeres zuzubereiten, oder kennt entsprechende Restaurants. Duschen ist notwendig. Auch das wird als Wohltat empfunden. Es erfrischt und belebt. Anderen zu helfen, ist unumgänglich. Aber es macht Spaß! Der Kern jeder Berufstätigkeit besteht darin, anderen in irgendeiner Weise zu dienen. Wenn das nicht der Fall ist – und leider wird in unserer arbeitssüchtigen, geldgierigen Gesellschaft häufig gegen diesen Grundsatz verstoßen – wird die Arbeit sinnlos.
Produzenten und Kaufleute helfen uns, die Waren zu bekommen, die wir brauchen. KünstlerInnen verschönern unser Leben. Sie inspirieren uns und befriedigen unseren Sinn für Ästhetik. Architekten und Bauarbeiter schaffen Gebäude, in denen wir wohnen und arbeiten können. So dient prinzipiell jeder Beruf einem sinnvollen Zweck.
Arbeit um der Arbeit willen ist in unserer Gesellschaft üblich, aber sinnlos. Geld ist ein Austausch für Waren und Dienstleistungen. Die »Finanzprodukte«, die von den Banken gegenwärtig angeboten werden, dienen dagegen nur der Spekulation. Sie
zerstören – wie man im Moment täglich beobachten kann – die Wirtschaft und ganze Nationen.
Das Übermaß an Arbeit ist nicht notwendig. Wenn sich jeder auf das konzentrieren würde, was wirklich wichtig ist, fielen alle überflüssigen Aufgaben weg. Das Leben würde leicht und angenehm – ein Zustand, den viele seit langem vergessen haben.
Menschen leben heute vielfach schlechter als die Tiere. Ohne die Tierwelt als Idylle zeichnen zu wollen, kann man doch beobachten, dass beispielsweise Löwen stundenlang im Schatten hoher Bäume auf der faulen Haut liegen. Wenn sie satt und zufrieden ist, schnurrt jede Katze vor sich hin.
Wir haben das verlernt. Es wurde uns ausgetrieben. Früher konnte man Müßiggänger in Kaffeehäusern antreffen. Sie verstanden es, ganze Tage mit Gleichgesinnten wegzuplaudern. Die oft belächelten Kaffeekränzchen von älteren Damen waren in Wahrheit informelle Treffen von Lebenskünstlerinnen. Eine falsche Lebensphilosophie hat die meisten Menschen inzwischen dazu verleitet, pausenlos aktiv zu sein.
Hin und wieder ist die Klage zu vernehmen, das Leben sei zu kompliziert geworden. Das stimmt. Schon Kinder führen heute Terminkalender und Aufgabenhefte. Sie eilen von der Schule zum Sportverein, zur Geburtstagsfeier, zu Ballett- und Klavierstunden, telefonieren, simsen, machen Hausaufgaben, bereiten sich auf Prüfungen vor und so weiter. Zeit zum Spielen und Nichtstun bleibt da nicht mehr.
Wenn man sich auf das besinnen würde, was einem Spaß macht, und nur der Glückseligkeit folgte, könnte man sich aus
dem ganzen Sumpf vermeintlicher Notwendigkeiten befreien. Ich behaupte nicht, dass dies von heute auf morgen möglich sei. Aber wenn man sich auf den Weg begäbe, würde jeder Tag ein bisschen entspannter.
Wir haben verlernt zu spielen
Unsere Gesellschaft versteht die Notwendigkeit des Spiels nicht. Es gilt als etwas, das nur Kinder tun oder Leute, die nicht erwachsen werden wollen. Im Erwachsenenalter wird es überwiegend als Zeitverschwendung angesehen. Manche fühlen sich schuldig, wenn sie beim Spielen angetroffen werden. Verschämt behaupten Erwachsene in Spielzeugläden, etwas für ihre Enkel zu suchen, obwohl sie selbst ein bisschen Zeug zum Spielen kaufen wollen. Der Begriff »Spieler« ist außerhalb des Sports nicht positiv gemeint.
Arbeit und Spiel gelten als unvereinbar. Deshalb wird schon früh in den Schulen dafür
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