Lobgesang auf Leibowitz
militärischer Genauigkeit die Knie.
»Levate.«
Die Legionen erhoben sich. Dom Paulo nahm seinen Platz am Ehrentisch ein und warf einen flüchtigen Blick zurück auf den Eingang. Gault würde die anderen bringen. Ihr Essen war ihnen vorher schon im Gästetrakt aufgetischt worden, um zu vermeiden, sie im Refektorium der Kargheit mönchisch kümmerlicher Kost auszusetzen. Als die Gäste erschienen, schaute er sich nach Bruder Kornhoer um; der Mönch war jedoch nicht unter ihnen.
»Wieso ein achtes Gedeck?« murmelte er zu Pater Gault gewendet, als sie Platz genommen hatten.
Gault schien verblüfft und zog die Schultern hoch.
Der Gelehrte setzte sich rechts neben dem Abt nieder, und die anderen schlossen sich zum Ende des Tisches hin an. Der Platz links neben dem Abt blieb leer. Der Abt drehte sich um und wollte Bruder Kornhoer heranwinken, sich zu ihnen zu setzen, aber der Vorleser fing an, den Eingangsvers anzustimmen, bevor er noch den Blick des Mönches auf sich ziehen konnte.
»Oremus«, antwortete der Abt, und die Mönche verneigten sich.
Während des Segens schlüpfte jemand leise in den Sitz zur Linken des Abtes. Der Abt runzelte die Stirn, blickte während des Gebets jedoch nicht auf, um zu sehen, wer der Missetäter sei.
»… et Spiritus Sancti, Amen.«
»Sedete«, rief der Vorleser, und die Reihen begannen Platz zu nehmen.
Der Abt blickte streng auf die Gestalt links von ihm.
»Dichter!«
Der begossene Pudel verbeugte sich geziert und lächelte. »Guten Abend, meine Herren, hochgelehrter Thon, geschätzte Gastgeber«, tönte er. »Was werden wir heute speisen? Gebratenen Fisch mit Honigwaben zu Ehren der weltlichen Auferstehung, die uns bevorsteht? Oder habt Ihr, mein Herr und Abt, Euch endlich beim Kochen mit dem Bürgermeister des Dorfes die Finger verbrannt?«
»Ich hätte gute Lust, Euch kochen zu…«
»Ha!« entgegnete der Dichter und wandte sich leutselig an den Gelehrten. »Man wird hier so vollendeter Tafelfreuden teilhaftig. Ihr solltet Euch öfter zu uns gesellen. Ich nehme an, man verköstigt Euch im Gästetrakt mit nichts anderem als gebratenem Fasan und fantasielos zubereitetem Rindfleisch. Eine Schande! Hier ergeht es einem besser! Ich hoffe doch, daß Bruder Küchenchef heute abend über seinen gewohnten Schwung, sein inneres Feuer, sein zauberhaftes Gefühl verfügt. Ah…!« Der Dichter rieb sich die Hände und grinste hungrig. »Vielleicht werden wir sein begnadetes falsches oder Schwindelschwein mit Mais à la Bruder Johannes vorgesetzt bekommen, wie?«
»Da läuft einem ja das Wasser im Mund zusammen«, sagte der Gelehrte. »Was ist es denn?«
»Fetttriefendes Gürteltier mit gedörrtem Mais, in Eselsmilch gekocht. Ein wahres Sonntagsessen.«
»Dichter!« fuhr ihn der Abt an. Dann zum Thon: »Ich bitte für seine Anwesenheit um Verzeihung. Er war nicht geladen.«
Der Gelehrte warf einen unbeschwert belustigten Blick auf den Dichter. »Hannegan, mein Herr, hält sich auch einige Hofnarren«, sagte er zu Paulo. »Ich kenne die Sorte. Ihr müßt Euch für ihn nicht entschuldigen.«
Der Dichter sprang von seinem Stuhl auf und verneigte sich tief vor dem Thon. »Erlaubt mir, Herr, mich statt dessen für den Abt zu entschuldigen«, rief er gefühlvoll.
Er verharrte einen Augenblick in der Verbeugung. Man wartete, daß er seine Narrenpossen beende. Er jedoch zuckte plötzlich mit den Achseln, setzte sich nieder und spießte sich ein Stück dampfendes Geflügel von der Platte auf, die von einem Postulanten vor sie hingestellt worden war. Er riß ein Bein ab und biß mit Lust hinein. Verwirrt schaute man ihm zu.
»Ich glaube, Ihr habt recht, meine Entschuldigung für ihn nicht anzunehmen«, sagte er schließlich zum Thon.
Der Gelehrte wurde ein wenig rot.
»Bevor ich dich hinauswerfe, du Wurm«, sagte Gault, »wollen wir doch herausfinden, wieweit du in diesem starken Stück noch gehst.«
Der Dichter wackelte heftig mit dem Kopf und schmatzte nachdenklich. »Ein ganz schön starkes Stück«, stimmte er bei.
Eines schönen Tages wird sich Gault mit so etwas noch ins Verderben stürzen, dachte sich Dom Paulo.
Der junge Priester indessen war sichtlich verärgert und suchte den Zwischenfall ad absurdum zu führen, in der Absicht, Gründe zu finden, den Narren zu zerschmettern. »Entschuldigt Euch nur ausführlich für Euren Gastgeber, Dichter«, befahl er. »Und erklärt Euch deutlich, wenn Ihr schon einmal dabei seid.«
»Laß das, Vater, laß das«, sagte Paulo
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