Lobgesang auf Leibowitz
rasch.
Der Dichter lächelte den Abt wohlwollend an. »Schon gut, Herr«, sagte er. »Es macht mir nicht im mindesten etwas aus, mich für Euch zu entschuldigen. Ihr entschuldigt Euch für mich, ich entschuldige mich für Euch; ist das nicht eine angemessene Übung in Nächstenliebe und gutem Willen? Niemand braucht sich für sich selbst zu entschuldigen – was immer so erniedrigend ist. Wenn man aber mein System anwendet, findet sich jeder entschuldigt, und niemand hat sich selbst zu entschuldigen.«
Bloß die Offiziere schienen die Bemerkungen des Dichters lustig zu finden. Offensichtlich genügte die Erwartung der Erheiterung, um die Illusion einer Heiterkeit hervorzurufen, und der Spaßmacher konnte durch Gestik und Ausdruck lachen machen, ganz gleich, was er sagte. Thon Taddeo trug ein gezwungenes Lächeln zur Schau; aber es war die Art von Gesichtsausdruck, mit der man der ungeschickten Vorführung eines abgerichteten Tieres zusieht.
»Auf diese Weise«, fuhr der Dichter fort, »wenn Ihr mir nur erlaubtet, Euch als demütiger Diener zu helfen, Herr, würdet Ihr nie klein beigeben müssen. Als Euer Entschuldigungsanwalt könntet Ihr mich zum Beispiel ermächtigen, bedeutenden Gästen wegen des Auftretens von Wanzen unsere Zerknirschung zu Füßen zu legen. Und den Wanzen wegen des unvermittelten Wechsels in der Verpflegung.«
Wütend, wie er war, widerstand der Abt dem Drang, die bloße große Zehe des Dichters mit dem Absatz seiner Sandale zu zermahlen. Er trat dem Kerl gegen den Knöchel, aber der Narr machte weiter.
»Ich würde natürlich für Euch alle Schuld auf mich nehmen«, sagte er und kaute geräuschvoll an weißem Fleisch. »Es ist eine gute Einrichtung. Eine, von der ich vorhatte, sie auch Euch zugänglich zu machen, höchst erhabener Gelehrter. Ich bin sicher, Ihr hättet sie praktisch gefunden. Mir ist zu verstehen gegeben worden, daß erst die logischen und methodologischen Grundlagen ersonnen und vervollkommnet werden müssen, bevor die Wissenschaft fortschreiten kann. Und mein System der veräußerlichen und übertragbaren Entschuldigung würde von besonderem Wert für Euch, Thon Taddeo, gewesen sein.«
»Gewesen sein?«
»Ja. Es ist zu schade. Jemand hat mir meine blauköpfige Ziege gestohlen.«
»Blauköpfige Ziege?«
»Sie hatte einen Kopf so kahl wie der Hannegans, Euer Gescheitheit, und so blau wie die Nasenspitze Bruder Armbrusters. Ich hatte vor, Euch das Tier zum Geschenk zu machen, aber so ein feiger Schuft hat sie mir stibitzt, bevor Ihr kamt.«
Der Abt biß die Zähne zusammen und ließ seinen Absatz über der großen Zehe des Dichters schweben. Thon Taddeo runzelte ein wenig die Stirn, doch schien er gewillt, den verwirrten Knoten der Anspielungen des Dichters aufzulösen. »Brauchen wir eine blauköpfige Ziege?« fragte er seinen Sekretär.
»Ich glaube, dafür besteht keine besondere Notwendigkeit, Herr«, sagte der Sekretär.
»Die Notwendigkeit liegt doch auf der Hand!« meinte der Dichter. »Man sagt, Ihr schreibt an Gleichungen, die eines Tages die Welt erneuern werden. Man sagt, das Licht dämmert erneut herauf. Wenn also wieder Licht sein wird, so muß irgend jemand die Schuld an der vergangenen Dunkelheit zugeschoben werden.«
»Ach, deshalb die Ziege.« Thon Taddeo blickte flüchtig auf den Abt. »Ein schwacher Scherz. Ist das schon alles, was er zu bieten hat?«
»Er ist arbeitslos, wie Ihr bemerken werdet. Aber sprechen wir doch von etwas Vernünf…«
»Nein, nein, nein, nein!« widersetzte sich der Dichter. »Euer Hochgelehrsamkeit mißverstehen meine Absicht. Die Ziege gehört in einen heiligen Schrein und mit Ehren überhäuft. Krönt sie mit der Krone, die Euch der heilige Leibowitz gesandt hat, und dankt ihm für die beginnende Helligkeit. Dann wälzt alle Schuld auf Leibowitz und jagt ihn in die Wüste hinaus. Auf diese Weise bleibt Euch die andere Krone erspart. Die mit den Dornen. Die, die Verantwortlichkeit genannt wird.«
Die Feindseligkeit des Dichters war nun offenkundig geworden, und er versuchte nicht länger spaßig zu erscheinen. Der Thon starrte ihn eisig an. Der Absatz des Abtes schwankte wieder über der Zehe des Dichters, ließ aber widerstrebend Gnade walten.
»Und wenn«, sagte der Dichter, »das Heer Eures Wohltäters kommt, um die Abtei einzunehmen, dann kann die Ziege im Hof angepflockt und ihr beigebracht werden zu blöken: ›Niemand war hier als nur ich, niemand als ich‹, wann immer Fremde vorbeikommen.«
Einer der
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