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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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jene, die sie hier in den Ödlanden versteckt haben, ihre Sache gut gemacht haben und sie nach wie vor da ist, wenn wir mit mehr Leuten und größerer Gewissheit an diesen Ort zurückkehren können.« Er lächelte grimmig. »Wir haben Zeit, mein Junge. Und vielleicht hat unser Führer gute Nachrichten für uns.«
    Mit einem knappen nächtlichen Gruß schlüpfte Aedric in den Schuppen und zog die Tür hinter sich zu. Neb ließ sich auf seine Fersen nieder und beobachtete, wie die Nacht dem Morgen entgegeneilte.
    Es herrschte eine unheimliche Stille, nur unterbrochen vom gelegentlichen Bellen eines Hundes innerhalb der Stadtmauern gleich nördlich von ihnen. Doch selbst das Hundegebell klang seltsam, als würde nicht einmal der Schall sich hier normal verhalten.
    Während seiner Zeit im Lager der Totengräber hatte Neb die letzte Wache immer geschätzt – sie hatte sich in den meisten Nächten als ruhig erwiesen und war bei den anderen weniger beliebt gewesen. Außerdem hatte der Gedanke, schon wach zu sein, bevor der Morgen richtig begann, und dabei zusehen zu können, wie sich der Tag entfaltete, etwas Hoffnungsvolles an sich. Fünfzehn Minuten zogen ereignislos vorüber, dann trat plötzlich leise eine Gestalt aus den Schatten. Sie war schon über ihm, als er nach seinen Messern griff und seine Lippen spannte, um die dritte Warnstufe auszurufen.
    »Ruhig jetzt, junger Nebios«, flüsterte Renard mit undeutlicher Stimme. »Du wirst deine Freunde grundlos wecken.« Die schlaksige Vogelscheuche von einem Mann roch stark nach Alkohol und schwankte ein wenig. Der Mann lachte leise, dann murmelte
er: »Klingt, als hätte dein junger Hauptmann nicht den nötigen Mumm für das Ödland in den Knochen.«
    Er ist betrunken. Gleichzeitig hatte Neb den Eindruck, dass Renard jetzt wieder vollkommen sicher auf den Beinen zu stehen schien. Er konnte sich eine Frage nicht verkneifen: »Hast du Neuigkeiten?«
    Rendard blickte lächelnd auf, und einen Moment lang war Neb nicht mehr sicher, ob er wirklich betrunken war. In den grauen Augen stand ein kaltes Leuchten. »Ich bringe nicht nur Neuigkeiten«, sagte er. » Ich bringe eine Entscheidung.« Er trat einen Schritt näher, und sein Gestank stach Neb in den Augen. »Erinnerst du dich an das, was dir dein Vater über Entscheidungen gesagt hat?«
    Und er erinnerte sich tatsächlich. Nebs Mund öffnete sich ungläubig. Hebda hatte ihm mehr als einmal erzählt, dass Erfolg oder Scheitern im Leben darauf beruhten, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Er wollte etwas sagen, aber bevor er dazu kam, schlüpfte Renard an ihm vorbei und beugte sich ganz dicht an Isaaks Kopf. Er flüsterte etwas, das Neb nicht verstand, er war nicht einmal sicher, ob Isaak es gehört hatte, bis er sah, wie dessen Augen plötzlich aufklappten, so weit die Schließen sich öffnen ließen. Als Renard Neb anlächelte, waren seine Zähne schwarz von der Wurzel, auf der er kaute. Neben Nebs Fuß ließ er etwas zu Boden fallen, doch alles geschah viel zu schnell, als dass er Genaueres hätte erkennen können.
    Der Ödländer stieß den Pfiff zur dritten Warnstufe aus und rief: »Renard verrät uns!«, in einer Stimme, die ganz wie die von Neb klang. Daraufhin brach auf der Hügelflanke ein Tumult aus, helle Lichter und lautes Knallen erfüllten die Nachtluft, in den Schatten wimmelte eine ganze Horde von Gestalten. Neb hörte Gedränge im Schuppen, hatte aber seine Klingen noch nicht gezogen. Renard wandte sich nach Süden und rannte los, weiter und immer weiter, bis er aus Nebs Blickfeld verschwunden war.

    Isaak blickte Neb an. »Es tut mir leid«, sagte der Mechoservitor.
    Dann begann auch er zu laufen. Seine Metallbeine pumpten, schlingernd und schwankend aufgrund seines Hinkens preschte er los, wurde aber immer sicherer, je mehr Druck seine Blasebälge aufbauten, und lief in großen Schritten hinter Renard her.
    Als die Zigeunerspäher aus dem Schuppen strömten, ihre Messer und Beutel in den Händen, blickte Neb auf das Stück der schwarzen Wurzel hinab, das zwischen seinen Beinen lag, und fällte seine Entscheidung.

Kapitel 12
    Vlad Li Tam
    Das Knirschen von Holz auf Holz rief Vlad Li Tam wach, und er regte sich. In den Tagen – oder waren es Wochen? –, in denen er im lauwarmen Salzwasser gelegen war, hatte er seine Instinkte neu ausgebildet, um sich der Gefangenschaft anzupassen. Er öffnete die Augen nicht mehr in der Erwartung, etwas zu sehen, und wurde nicht mehr von Panik erfasst, wenn dem nicht

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