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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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»Und seid Ihr sicher, dass es die ganze Bibliothek ist?«
    Charles nickte. »Ja.«
    Rudolfo schloss die Augen, und plötzlich war ihm zum Weinen zumute, obwohl er nicht wusste, weshalb. Wochenlang hatte er mit einer nicht durchführbaren Aufgabe gehadert, hatte nach einem Weg gesucht, ganz gleich welchem, Vlad Li Tams Eiserne Armada zu finden, ein winziges Blatt in einem unvorstellbar großen See. Und mit jedem Tag, den er fort war, stürzten die Nachbarn
der Neun Wälder immer tiefer in den Krieg mit den Sumpflanden, mit denen er Bundschaft hielt. Petronus war gefangen, und die Androfranziner im päpstlichen Palast waren zweifellos angegriffen worden, vielleicht sogar getötet. Und weit weg – zu weit weg – lag sein kleiner Sohn grau darnieder und verwelkte.
    Die ganze Bibliothek.
    Rudolfo merkte, dass er den Atem angehalten hatte, und stieß die Luft aus. Er kannte die Antwort auf seine Frage, noch bevor er sie stellte. »Einschließlich der Arzneiwissenschaften und Magifizienten? «
    Als Charles nickte, erwiderte Rudolfo nichts. Er stand auf und sah den alten Mann einen Augenblick lang an, ehe er sich zur Tür umdrehte.
    Dann trat Rudolfo hinaus und ging zitternd zu Rafe Merrique, um ihm seinen neuen Kurs mitzuteilen.

Kapitel 17
    Petronus
    Petronus blickte vom Tisch auf, als Bedienstete einen Servierwagen mit Tee und Frühstücksbrötchen in das vollgestopfte Verhörzimmer rollten.
    In dem beengten Raum roch es säuerlich, aber so hatte es schon gerochen, bevor Petronus’ Schweiß hinzugekommen war. Er war am späten Vormittag eingetroffen und hatte den ganzen Nachmittag und anschließend die Nacht hier verbracht, während Ignatio und seine Männer ihm abwechselnd Fragen gestellt hatten. Das Adrenalin war ihm schon vor langer Zeit ausgegangen; inzwischen spürte er, wie ihn die Müdigkeit übermannte. Seine Arme fühlten sich schwer an, sein Gesicht war taub, weil er nicht geschlafen hatte. Er legte die Arme auf den Tisch.
    Ignatio folgte Petronus’ Blick. »Vielleicht sollten wir eine Pause machen.« Er lächelte. »Vielleicht wollt Ihr ein kleines Frühstück zu Euch nehmen und dann ein wenig schlafen. Wir haben genug Zeit.«
    Petronus sah ihm in die Augen und hielt seinen Blick fest. »Richtet Erlund aus, dass er die Bedingungen unseres Abkommens verletzt.«
    Ignatio lachte. »Aber wie denn? Ihr seid mit Würde und Respekt behandelt worden. Ihr habt zu essen bekommen und seid in Sicherheit. Ihr seid weder die Treppe hinabgefallen noch in einen
Brunnen.« Er beugte sich mit einem breiten Lächeln vor und zeigte seine Zähne. »Glaubt nicht einen Augenblick lang, so etwas wäre nicht passiert, wenn Sethberts treuere Gefolgsleute auf Euch Zugriff hätten.«
    Petronus widerstand dem Drang, leise in sich hineinzulachen. »Sethbert war ein Verrückter. Am Ende haben sich seine eigenen Leute gegen ihn gewandt, weil er die Wirtschaft der Stadtstaaten gebrochen und sie auf einen Bürgerkrieg zumanövriert hat.«
    »Wie dem auch sei«, sagte der Leiter des entrolusischen Geheimdienstes mit großer Geste, »möchtet Ihr etwas Frühstück?«
    Er wollte aus Prinzip ablehnen, aber Petronus hatte keine Möglichkeit herauszufinden, wie lange er hier noch festgehalten und mit höflichen Fragen traktiert werden würde, die er sich – genauso höflich – weigerte zu beantworten. Er beäugte die Frühstücksbrötchen, sah einen Überzug aus geschmolzenem Zucker auf den dampfenden Wecken und seufzte. »Ja«, sagte er.
    Ignatio trug alles für sie auf und goss den kochenden Tee in Porzellantassen. Er nahm eine silberne Zange, um zwei der Brötchen auf einen kleinen Teller zu legen, und reichte ihn Petronus. Dann schob er ihm die dampfende Teetasse auf ihrer Untertasse aus Porzellan hin.
    Ignatio nippte an seinem Tee, dann blickte er Petronus ratlos an. »Ihr habt den Großteil meiner Fragen nicht beantwortet«, sagte er. »Ich verstehe nicht, weshalb Ihr so zurückhaltend seid.«
    Petronus atmete den zarten Zitronenduft ein, seine Hände erfreuten sich an der Wärme der Tasse. »Diese Dinge sind völlig unerheblich für das, weshalb ich hier bin«, sagte er. »Ich soll für die Hinrichtung Sethberts vor Gericht gestellt werden. Die inneren Angelegenheiten des Androfranziner-Ordens sind für die Vereinigten Stadtstaaten oder ihren Aufseher nicht von Belang.«
    »Das sind sie sehr wohl, solange die Metallmänner noch funktionstüchtig sind. Das sind sie sehr wohl, solange der Bannspruch noch durch die Welt

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