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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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erforderlich war. Und vielleicht war es so von Anfang an vorgesehen gewesen. In letzter Zeit waren ihre Träume blutig geworden. Fort war der weißhaarige Junge Neb und fort jene wenigen Blicke, die sie bisher auf die Heimat erhaschen hatte können, die er für sie finden würde. Ezras dünne Stimme, die durch ihre Badekammer hallte, erfüllte stattdessen ihren Schlaf. Ein säubernder Wind aus Blut; tilgende Klingen aus kaltem Eisen.
    So sollen die Sünden des P’Andro Whym seine Kinder heimsuchen.
    Sie schüttelte die Kälte jener nachklingenden Stimme ab und blickte Seamus an. »Schickt den Zigeunern einen Vogel. Lasst sie wissen, dass ich ihre großzügige Einladung annehmen werde.«
    Seamus nickte. Sie sah seinem Gesicht an, wie unglücklich er war; vielleicht war es auch nur Sorge. »Und werdet Ihr heute Nacht die Litanei leiten?«
    Winters blickte auf den Haufen verkohlter Knochen. Sie hörte das Klirren des Metalls, das unablässig in den gefrorenen Boden drang. Darüber stach, einsam kreisend, ein riesiger schwarzer Vogel aus einem Himmel hervor, der mit weiterem Schnee drohte. »Ja«, sagte sie. »Auch das werde ich tun.«
    »Einer der Zwölf könnte es übernehmen, wenn Ihr es von uns verlangt.«
    Sie blickte ihn an. Es war Sorge . Seamus war für sie eine Art Großvater gewesen, solange sie sich erinnern konnte. Er war ihrem Vater nahegestanden und sogar eine Weile mit der Schwester
ihres Vaters verbunden gewesen, ehe sie das Fieber dahingerafft hatte. »Ich muss es tun, Seamus«, erklärte sie. »Meine Armee muss mich dabei sehen können.«
    Ein Anflug von Stolz huschte über sein Gesicht. »Ihr werdet eine starke Königin sein.«
    Winters seufzte und blickte zurück auf die Leichen. »In letzter Zeit fühle ich mich nicht sonderlich stark.«
    Seine Stimme klang plötzlich wie die ihres Vaters – oder die Hanrics –, und sie spürte, wie ihre Arme von Gänsehaut überzogen wurden. »Ihr müsst Euch nicht so fühlen, um es zu sein .«
    Winters nickte. »Danke, Seamus.«
    Er erwiderte das Nicken, musterte einen letzten Augenblick lang ihr Gesicht und wandte sich dann ab. Nachdem er fort war, ging sie wieder zurück, um die Leichen der Androfranziner zu betrachten.
    Sie spürte den Wind in ihrem Nacken und roch etwas Neues darin. Es war ein feiner Hauch von Schweiß und Tannenharz.
    Es war das unheimliche Gefühl, dass sie nicht alleine war. Sie wandte sich um und spürte Blicke in ihrem Rücken. »Wer ist da?«
    Die Stimme drang gerade noch als Flüstern an sie heran. »Leutnant Adrys aus den Neun Wäldern«, sagte er. »Ich habe einen Trupp Zigeunerspäher zu Eurer Unterstützung bei mir, auf Befehl der edlen Dame Tam. Wir sind natürlich in aller Stille hier.«
    Sie kniff die Augen zusammen. Kaum sichtbar kauerte sich in Seamus’ Spuren eine schattenhafte Gestalt zusammen. »Ich werde es meinen Hauptleuten sagen; wir wollen nicht, dass es zu einem Unglück kommt, wenn Eure Späher sich so nahe bei den unseren aufhalten.«
    Adrys kicherte leise. » Vergebt mir, edle Dame Winters, aber meine Männer lassen sich nicht aufspüren, wenn sie es nicht wollen. Wir glauben, dass es die bessere Strategie ist, wenn wir uns diskret unsichtbar halten, im Hinblick auf« – an dieser Stelle
hielt er inne, um nach dem besten Wort zu suchen – »die Art Eures Feindes.«
    Winters biss sich auf die Lippen. Adrys hatte recht, obwohl sie sich kaum überwinden konnte zuzulassen, dass die Zigeunerspäher sich magifiziert und heimlich unter ihren Leuten aufhielten. »Ich werde es zu schätzen wissen, falls Ihr etwas herausfinden könnt.« Winters überlegte einen Moment. Sollte sie ihm verraten, was sie wusste und fürchtete? Was an den Grenzen ihres Bewusstseins leckte, seit dem Tag, an dem ihr Seamus das Zeichen auf der Brust seines Enkels gezeigt hatte? Sie zwang sich dazu, es auszusprechen. »Ich bin überzeugt, dass es sich um Y’Ziritische Resurgenten handelt.«
    Adrys schwieg kurz. »Seid Ihr sicher?«, fragte er schließlich.
    Im Laufe der Jahre hatte es ein paar Y’Ziritische Aufstände gegeben, die unter den Stiefelabsätzen der Androfranziner oder der Wachhunde, die diese auf sie losgelassen hatten, ein übles Ende gefunden hatten — aber sie hatten durchaus Wunden hinterlassen, ehe sie wieder in die Geschichte eingegangen waren, wo sie hingehörten. Tertius hatte sie alle sorgfältig mit ihr durchgenommen, nur die Schnitte waren neu. »Ja«, sagte sie. »Ich bin mir sicher. Sie tragen das Zeichen des Hauses

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