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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Antworten auf die Zerstörung des päpstlichen Sommerpalasts und den grausamen Mord an den Androfranzinern, die sich dort versteckt hatten.
    Ehe Philemus den Vogel freilassen konnte, ging noch einer, ein weißer diesmal, ins Netz. Sie wusste, dass diese Farbe einen Halt bedeutete, und der Zweite Hauptmann las die verborgene Nachricht in den Knoten, noch während sie die Hand hob, um den Halt zu befehlen.
    »Jemand kommt«, sagte er. »Ein einzelner berittener Sümpfler. Er möchte mit Euch verhandeln.« Der Offizier musterte sie mit besorgtem Blick. »Allein«, fügte er hinzu.
    Jin betrachtete die Landschaft um sie herum. Vor zwei Tagen hatten sie den Zweiten Fluss an einer Furt überquert, weit nördlich von den Ruinen von Windwir. Wenn sie sich beeilten, würden sie in weiteren drei oder vier Tagen den Dritten Fluss überqueren und in Reichweite ihres Zieles gelangen. Sie hatte gehofft, sich selbst und ihre Armee entlang der Südgrenze der Sümpfler postieren zu können. Aber sie hatte auch gehofft – unvernünftigerweise natürlich – einen Ausbruch der Kämpfe verhindern zu können; dass sie irgendwie an die Vernunft appellieren könnte, wenn sie sich mit der Streunenden Armee den Streitkräften von Pylos und Turam auf ihrem Marsch weiter nach Norden in den Weg stellte.
    Wenn sie allerdings an Meirovs verlorenes Kind und an Turams verlorenen Kronprinzen dachte, war sie nicht sicher, ob es überhaupt eine Vernunft gab, an die sie appellieren konnte. Der Hass, der sich an diesen feigen Taten entzündet hatte, würde sich gewiss als stärker erweisen als Jins Fähigkeit, die Feldherrn an den Verhandlungstisch zu bringen.

    Die Armee wurde langsamer und hielt hinter ihr an, und Jin saß abwartend da, während ihr Pferd auf dem gefrorenen Boden hin und her tänzelte. Schließlich nahm ein Umriss in den dichten Nebeln weiter vorne Gestalt an. Jin kniff die Augen zusammen, bis daraus ein Mann auf einem Pferd wurde – ein alter Mann auf einem alten Pferd.
    »Stellt Späher im Umkreis auf«, sagte sie mit schärferer Stimme, als sie beabsichtigt hatte.
    »Soll ich mit Euch zu …«
    »Nein«, sagte sie, während sie ihrem Pferd die Sporen gab.
    Sie ließ das Pferd lostraben, bis der alte Mann vor ihr deutlich wurde. Er trug zerschlissene Roben aus Fell – auf den ersten Blick Wolfspelz, wie sie annahm. Er hatte sich Knochen- und Holzstücke in sein sorgfältig geflochtenes Bart- und Haupthaar geknüpft, und seine Gesichtsbemalung war weit aufwendiger gestaltet als alles, was sie bisher bei anderen Sümpflern gesehen hatte. Die Erdfarbtöne waren in einem verschlungenen Muster aus Schwarz, Grau, Grün und Braun aufgebracht.
    Er saß hoch im Sattel, sein Kopf bewegte sich nach rechts und links, als würde er nach etwas lauschen oder etwas riechen. Als sie näher kam, wandte er sich um, um sie anzublicken, und sie sah, dass seine Augen die Farbe von Milch hatten.
    Man hat einen Blinden zum Verhandeln geschickt.
    Er neigte den Kopf zur Seite. »Große Mutter«, sagte er, »Ihr solltet nicht hier sein.«
    Sie erinnerte sich an die rätselhafte Botschaft, die denselben Titel erwähnt hatte. Sie hatte stundenlang darüber nachgedacht, trug sie sogar noch bei sich in der Tasche. War es möglich, dass dieser Mann irgendwie etwas über ihren Vater wusste? Ihr Blick verengte sich. »Weshalb nennt Ihr mich so? Und wer seid Ihr?«
    Der alte Mann lächelte. »Ich bin Ezra. Ich bin der Herold der nahenden Machtkönigin und der Prophet der Karmesinkaiserin. «

    Weitere Rätsel. Auch von der Karmesinkaiserin hatte sie schon einmal gehört. Aber wo? »Winters hat mir nichts von Euch erzählt. «
    Er lachte leise. »Sie hat bis vor kurzem nichts von mir gewusst. « Er blickte auf, dann legte er den Kopf wieder schief. »Ihr kommt mit Eurer Armee, aber was hofft Ihr zu erreichen? Ihr seid krank, weil Ihr Euren Sohn versorgen müsst. Ihr seid noch geschwächt von seiner Geburt. Ihr solltet Euch ausruhen und nicht in den Krieg gegen einen Feind ziehen, den Ihr nicht sehen könnt.« Sein Gesicht wurde weich, und ein Lächeln erschien darauf. »Dennoch«, sagte er, »hatte ich nicht gehofft, lange genug zu leben, um diesen Tag zu erleben. Ich möchte Euch um einen großen Gefallen bitten, Herrin.«
    Ihr Blick verengte sich. Jin konnte sie nicht sehen, aber inzwischen waren sie von ihren Spähern umringt. Ein Pfiff, und ein Dutzend Pfeile oder zwei Dutzend Klingen würden ihn niedermähen. »Um was für einen Gefallen bittet Ihr mich, alter

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