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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Geheimdienstes über die toten Späher gesehen, sie hatte Geschichtsbücher gelesen und wusste gut, dass die Resurgenten immer wieder von Neuem auflebten, besonders während Zeiten
großer Unruhen und Umwälzungen in den Benannten Landen. Eine solche Zeit war nun fraglos angebrochen.
    Aber die Worte zu hören und zu wissen, dass ihre Familie so tief in den Glauben verstrickt war, dem dieser alte Mann anhing, ließ eine neue Art von Angst in das Gebräu miteinfließen, das tief in ihrem Magen brodelte. Sie wollte ihm nachrufen, Antworten fordern und wenn nötig die Zigeunerspäher mit einem Pfiff herbeiholen, damit sie sich auf ihn stürzten und ihn zum Verhörwagen mit dem Anatom der Bußfertigen Folter schleiften, den sie aus dem erzwungenen Ruhestand zurückbefohlen hatte, damit er helfen konnte, falls nötig.
    Und zur selben Zeit wollte sie ihr Pferd wenden, zu ihrem Sohn galoppieren und ihn in ihren Armen halten. Ihn irgendwie vor diesem Wahnsinn schützen, der die Welt, die er erben würde, aus den Fugen zu lösen schien.
    Aber Jin Li Tam tat weder das eine noch das andere. Stattdessen saß sie auf ihrem Pferd und beobachtete, wie Ezra der Sumpfprophet im dichter werdenden Nebel verschwand.
    Als sie sich zu dem Bundraben umwandte, sah sie, dass inzwischen auch er verschwunden war.
    Wenn er überhaupt je da gewesen war, dachte sie.
    Als sie den Mut aufbrachte, wieder zu sprechen, rief Jin Li Tam die Streunende Armee dazu auf, ihren Marsch fortzusetzen. Den Rest des Tages ritt sie schweigend weiter und fragte sich, was sie in den Sumpflanden vorfinden würden.

Kapitel 18
    Rae Li Tam
    Rae Li Tam stand am Bug und beobachtete, wie vor ihr die Sonne aufging und ihren roten Schleier über den östlichen Horizont warf. Irgendwo im Norden – von ihr aus Backbord — fand sich mit den Geteilten Inseln der südlichste Ausläufer der Benannten Lande. Hinter ihnen und weiter im Süden lagen die Inselketten, von denen sie erst vor kurzem geflohen waren, nachdem sie jenen schicksalhaften Vogel erhalten hatte, der auf ein Verhängnis für ihre halbe Flotte hingedeutet hatte.
    Inzwischen waren Wochen vergangen, und Rae war keinen Schritt näher daran, das Rätsel zu lösen. Es war auch keine weitere Nachricht mehr gekommen, und sie hatte keinen Grund zu der Annahme, dass jemals noch eine eintreffen würde.
    Wie sollten sie uns auch finden? Auf See waren selbst sechs Eisenschiffe wie Motten in einem Wald. Vorher hätte es vielleicht noch eine Möglichkeit gegeben, wenn man ihrer Spur von Insel zu Insel gefolgt wäre, aber selbst dabei hätte man häufig raten müssen, denn sie waren schon damals vorsichtig gewesen.
    Doch die Vorsicht, die sie jetzt walten ließen, war damit nicht mehr zu vergleichen. Sie hielten nirgends an, wo wachsame Augen sie aufstöbern konnten. Einen Halt hatten sie eingelegt, um die Wassertanks aufzufüllen, als ihr Stand gefährlich weit gesunken war. Es war auf einer abgelegenen Insel gewesen, um
Mitternacht, und ihre Dampfpumpen hatten das Wasser durch eine Reihe von leckenden Schläuchen angesaugt, für deren Reparatur sie keine Zeit gehabt hatten. Sie hatten Netze ausgeworfen und Fische gefangen, um ihre Vorräte aufzustocken, und waren wieder dazu übergegangen, sie zu rationieren, damit sie bis zu ihrem neuen Ziel durchhielten.
    Auf einem Schiff war das Fieber ausgebrochen. Unter Quarantäne kroch es hinter ihnen her, während die Krankheit sich durch die Familien und die Mannschaft fraß. Bei einem weiteren war die Geschwindigkeit auf ein Drittel zurückgegangen, und die Maschinisten konnten den Grund dafür nicht herausfinden.
    Dennoch, wenn sie bedachte, was noch alles hätte schiefgehen können , war Rae Li Tam zufrieden.
    Nun dämmerte ein neuer Tag herauf, Rae stellte sich darauf ein und schloss die Augen, ließ den kalten Wind an ihren Gewändern und ihrem Haar zupfen und über ihr Gesicht streichen.
    Sie spürte, wie Baryk sie von hinten umarmte, und lehnte sich seufzend an ihn. »Wir sind gut vorangekommen«, sagte er. »Hast du noch darüber nachgedacht, was wir tun werden, wenn wir ankommen?«
    Rae legte den Kopf an seine Brust und drehte ihn ein wenig, damit sie sein Gesicht sehen konnte. »Ich weiß nicht, was wir tun werden. Ich bin mir sicher, dass Vater wusste, was er tat, aber er hat mir seine Pläne nicht verraten.« Sie blickte wieder über das Wasser zu der blutroten Sonne hinaus, die gerade aufging. »Ich bin dagegen, weiter auf See zu bleiben, solange wir nicht mehr über das

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