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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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angewendet, obwohl sich jedes Mal jede Faser seines Erbes dagegen sträubte. Schlimmer noch, es widersprach allem, was sein Vater ihn gelehrt hatte. Trotzdem musste es getan werden. Vor zwei Stunden waren Vögel aus dem Süden aufgetaucht, die unter einer gerade aufgegangenen Sonne nach Nordosten eilten – verfolgt von einem größeren, schwarzen Vogel.

    Und nun waren alle Mann an der Arbeit, und ein atemloser Matrose hatte Rudolfo auf Befehl des Kapitäns aufs Oberdeck geholt.
    Er hatte zumindest gehofft, dass die Kopfschmerzen, die Übelkeit und das unbehagliche Zucken der übereifrigen Muskeln nachlassen würden, wenn man dem weißen Pulver öfter ausgesetzt war. Bisher war das nicht der Fall.
    Rudolfo bewegte sich langsam, längst nicht so sicher auf den Beinen wie Merrique und seine Männer, und das Schaukeln des Schiffes und die Wellenbewegungen überall um ihn herum versetzten seinen Magen in Aufruhr. Das magifizierte Schiff war zweifellos ein Wunder, aber eines, das ihm jedes Mal einiges abverlangte, wenn er sich aus der relativen Normalität unter Deck herauswagte.
    Er ließ seine Zunge am Gaumen klicken und hörte, wie die Mannschaftsmitglieder um ihn herum antworteten, während er sich zur Brücke begab. Feste Hände halfen ihm, als seine Füße gegen die schmalen Stufen stießen. Er spürte, wie ihm etwas Kaltes aus Metall in die Hände geschoben wurde.
    »Das ist ein Fernglas«, sagte Rafe Merrique. »Sie sind genau vor uns.«
    Rudolfo hob das Fernglas an die Augen und sah, wie der Ozean auf ihn zuwogte. Er orientierte sich nach oben, bis er den Horizont im Blick hatte, und suchte ihn ab. Die Eisenschiffe waren kaum zu übersehen.
    Bei ihrem Anblick schnappte Rudolfo nach Luft. Er hatte sich durch vier schlaflose Nächte gequält, nachdem er sich entschieden hatte, Sanctorum Lux zu suchen. Er hatte gewusst, dass dies der beste Weg war, der ihm noch blieb, aber er hatte damit gehadert. Er war stolz auf den inneren Kompass, den ihm sein Vater mitgegeben hatte – sein Vertrauen darauf, jederzeit den richtigen Weg einzuschlagen. Aber wie sollte man die bessere von zwei Vorgehensweisen wählen, wenn keine davon eine begründete
Aussicht auf Erfolg bot? Und jetzt, da er seine Hoffnungen auf Charles’ Kenntnis eines weiteren wenig aussichtsreichen Weges gesetzt hatte, fand er sich Vlad Li Tams Eiserner Armada gegenüber wieder.
    Er zählte die Schiffe – ein Ring aus sechs Schiffen umkreiste langsam ein siebtes, das in der Mitte vor Anker lag.
    Rudolfo merkte, dass er den Atem anhielt, und stieß die Luft aus. »Es ist Tams Flotte.« Aber nur gut die Hälfte davon, stellte er fest.
    »Aye«, antwortete Rafe Merrique. »Eines hat die Quarantäne-Flagge gehisst. Und über dem in der Mitte wehen Seenotfahnen.«
    Das Schiff, das vor Anker lag, war schlanker und etwas kleiner als die anderen, was darauf hinwies, dass es vielleicht das Flaggschiff war. Rudolfo war unsicher, aber die Gelegenheit schien günstig. »Ich muss mit ihnen sprechen.«
    Er hörte die Zurückhaltung in Rafes Stimme. »Die sechs befinden sich in der dritten Warnstufe«, sagte er. »Sie haben ihre Kanonen bemannt – bessere als die, die mir die Androfranziner überlassen haben, da möchte ich wetten –, und sie haben Langboote zu Wasser gelassen, unter der Flagge der Unterhändler. Ich werde die Bundhai nicht in die Reichweite ihrer Kanonen bringen. Wir warten ab und beobachten.«
    Rudolfo öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber ein gedämpfter Knall, auf den schnell ein weiterer folgte, brachte ihn davon ab. Er sah Rauch und schwenkte das Fernglas, bis er dessen Quelle fand – das Lotsenhaus des Schiffs unter Quarantäne war zu einer Ruine aus verbogenem Metall, Rauch und Flammen zusammengefallen. Es brach aus der Formation aus und fuhr hinaus auf die offene See. Dann sah Rudolfo einen Lichtblitz und eine weitere Rauchfahne auf einem scheinbar leeren Abschnitt des Meeres, es war eine Breitseite, aus kurzer Entfernung abgefeuert, die den Rumpf des Schiffes entlang der Wasserlinie aufriss. »Sie werden beschossen.«

    Rafe Merrique riss ihm das Fernglas aus den Händen. »Beschossen? «
    Rudolfo hatte wenig Zeit auf See verbracht, aber er wusste nur zu gut, wie argwöhnisch die Androfranziner das alte Wissen um Kriegsführung bewacht hatten. Er hatte aus erster Hand gesehen, was es anrichten konnte, als er im letzten Krieg einen Zigeunerspäher durch Resoluts Handkanone verloren hatte. Es war dieselbe Handkanone gewesen, die der

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