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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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herausgefunden haben, was vor sich geht.«
    »Und du glaubst immer noch, dass dein Vater in eine Falle gelockt worden ist?«
    Rae nickte. »Wie könnte ich das nicht glauben? Sechs verlorene Schiffe in weniger als einer Woche. Und diese Nachricht. Wenn sie eine Fälschung war, dann war sie besser als alles, was
ich jemals zustande bringen würde.« Und Rae war einmal die beste Fälscherin ihres Vaters gewesen.
    Ein Pfiff aus dem Lotsenhaus ließ sie aufblicken. Rae sah, wie der Lotse nach Süden deutete, und folgte seinem Finger, bis ihre Augen einen kleinen Fleck erspähten, der im Licht der aufgehenden Sonne kaum zu erkennen war.
    Sie wandte sich um, Baryk löste sich von ihr und blickte in dieselbe Richtung. Rae ging zur Reling und beugte sich darüber, um in den Morgen hinauszublinzeln.
    »Es ist ein Schiff«, sagte Baryk.
    Inzwischen war es deutlicher zu erkennen. Es lag hoch in den Wellen, ein kastenförmiger Umriss. Aus seinem Schornstein sah sie einen Dampfschwall aufsteigen und spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. »Es ist eines der Unseren«, sagte sie und runzelte die Stirn. »Wie ist das möglich?«
    Baryk richtete sich auf. »Ich werde die Flotte in die Dritte Warnstufe versetzen«, sagte er. »Und ich werde Vögel zu den anderen Schiffen schicken.«
    Rae nickte. »Ich bin im Lotsenhaus.«
    Sie überquerte das Deck mit schnellen Schritten und stieg die schmalen Stufen zur Kajüte hinauf. Die Decksoffizierin, eine junge, rothaarige Frau, reichte ihr das Fernglas, noch bevor sie darum bat, und Rae richtete es auf das Schiff.
    Es ist nicht einfach nur ein Schiff , erkannte sie, sondern das Flaggschiff.
    Seenotflaggen wehten in acht Farben darüber, und es fuhr auf einem Kurs, der den ihren in einer Stunde kreuzen würde. Und obwohl sie an Deck Bewegungen ausmachen konnte, war es unmöglich, aus dieser Entfernung einzelne Personen zu erkennen.
    Sie wussten, wo sie uns finden würden. Aber woher? Die Vogelställe waren verschlossen, und Rae Li Tam vertraute jenen, die sie bewachten. Doch irgendwie hatte man sie aufgespürt.

    Licht blitzte vom Bug auf und blendete sie einen Augenblick lang. Sie wandte sich ab, dann richtete sie das Fernglas neu aus, ein wenig weiter nach links versetzt. Aus den Blitzen wurden Worte.
    Vater ist durch eine List in Gefangenschaft geraten, wir haben Verwundete an Bord , teilte ihr der blitzende Spiegel mit. Wir brauchen sofortige Unterstützung.
    Rae hielt den Atem an und ließ das Fernglas noch einmal über das Schiff gleiten. Sie warf der Offizierin neben sich einen Blick zu. »Hol den Spiegel«, sagte sie. »Sende Folgendes: Drosselt die Maschinen und geht vor Anker.«
    Rae wartete, während das Mädchen die Botschaft übermittelte. Aber das andere Licht antwortete nicht. Stattdessen wurde das Schiff langsamer.
    In der Zwischenzeit tönte die Glocke, die die dritte Warnstufe ausrief, in den stillen Morgen hinaus, während Männer und Frauen über das Deck stürmten und ihre Posten einnahmen. Sie hörte Baryk über den Lärm hinweg rufen, während er und der Waffenmeister die Bögen ausgaben. Der Kanonier lud die einzige Kanone des Schiffes und drehte sie zu dem langsamer werdenden Gefährt herum. Die Androfranziner hatten ihr technisches Wissen nicht freimütig geteilt, wenn es um Waffen ging, und darauf geachtet, ihnen so viel wie möglich vorzuenthalten. Und alles, was sich nicht vorenthalten ließ, hatten sie streng kontrolliert. Das Flaggschiff verfügte über drei der kleinen Waffen, die anderen Schiffe der Flotte waren auf jeweils nur eine beschränkt. Der Ansicht jener großen Geister in grauen Talaren nach war das mehr als genug, um dem Haus Li Tam einen ordentlichen Vorteil zu verschaffen, wenn man die eisernen Rümpfe und Dampfmaschinen mit einbezog.
    »Drosselt die Geschwindigkeit auf die Hälfte«, befahl Rae. »Vögel an die Flotte: Die dritte Warnstufe aufrechterhalten.« Sie spürte, wie sie das Gesicht verzog, als sich ihr Magen verkrampfte.
Rae ließ ihren Blick noch einmal über das Deck des Flaggschiffs schweifen, erspähte Mannschaftsmitglieder in den safranfarbenen Gewändern des Hauses ihres Vaters und wusste, dass sie bald eine Entscheidung würde treffen müssen; und obwohl sie in der Überzahl waren, zögerte sie.
    Es war eine Falle, so viel war klar. Es musste einfach eine Falle sein.
    Aber was, wenn nicht?
    Sie pfiff nach Baryk und gab ihm das Fernglas. »Ich habe ihnen befohlen, ihre Maschinen zu drosseln. Das haben sie getan. Sie behaupten,

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