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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Auf drei Schiffen warfen junge Männer und Frauen mit weißen Gesichtern und weit aufgerissenen Augen die Leichen ihrer gefallenen Eltern über die Reling ins Meer.
    »Wir müssen nun eine weitere Entscheidung treffen«, sagte Rafe. »Wir sind weniger als vier Tage vom Horn entfernt. Neun Tage von dem Ort, an dem sich Eurem Charles zufolge der beste Landeplatz befindet, um Sanctorum Lux zu erreichen.« Rudolfo hörte die Worte des Piraten, aber sein Blick wanderte immer noch über die Szene vor ihm. Zwei der Schiffe waren inzwischen noch langsamer geworden und rauchten. Zwei weitere sanken
träge, ihre Mannschaften an Deck aufgereiht, während die Langboote zu Wasser gelassen wurden. »Entweder segeln wir dem Ödland entgegen oder …«, fuhr der Pirat fort.
    Rudolfo seufzte. »Wir folgen ihnen.«
    Sein erster Impuls war es gewesen, Tam zu suchen. Jin Li Tam war eine kämpferische, vortreffliche Frau, und sie glaubte, dass ihre Schwester wissen würde, wie man den Pulvern entgegenwirkte, die sie benutzt hatte, um die Schwerter von Rudolfos Soldaten wieder scharf zu machen. Dass die Aufgabe schier übermenschlich war, hatte keine Rolle gespielt.
    Aber die Verheißung dieser neuen Bibliothek – die Hoffnung, die Rudolfo hegte, dass sich dort ein Heilmittel für seinen Sohn fand – hatte sich unversehens an ihn herangeschlichen, als ein glücklicher Zufall ihm Charles in die Hände gespielt hatte. Sie schienen Tam zwar gefunden zu haben, aber die Umstände verhießen nichts Gutes. Rudolfo hatte Petronus’ Aufzeichnungen nicht entschlüsseln müssen, um zu begreifen, dass der alte Papst – zusammen mit dem Orden, dem er einst gedient hatte – der Ansicht war, dass sie irgendeine Macht von außerhalb bedrohte. Auch Tam hatte es offenbar geglaubt und war aus den Benannten Landen geflohen, um dem nachzugehen. Und nun war das Haus Li Tam gespalten oder hatte auf irgendeine Weise seine halbe Flotte an diese unbekannte Bedrohung verloren. Eine unbekannte Bedrohung mit Zugang zu derselben Blutmagie, die sich vor wenigen Wochen durch die Benannten Lande gefressen hatte, und zu derselben Tarnmagie, die bis jetzt die Bundhai einzigartig hatte erscheinen lassen.
    Ja , dachte er, eine weitere Entscheidung.
    Aber war es das wirklich? Sein innerer Kompass gab eine eindeutige Richtung vor, und es ängstigte Rudolfo, wie bereitwillig er ihm folgte, obwohl er die Kosten und Risiken nur zu gut kannte. Letztendlich war es überhaupt keine freie Entscheidung, wurde ihm klar.

    Er spürte, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten, bevor er die Worte noch einmal aussprach.
    »Wir folgen ihnen«, wiederholte Rudolfo, und dieses Mal war seine Stimme fest und entschlossen.
    Dann kehrte er unter Deck zurück, um seine Messer zu schleifen und darüber nachzudenken, was sie im Herzen dieses neuerlichen whymerischen Irrgartens vorfinden würden.
    Neb
    Die Tage verschwammen wie im Nebel, erfüllt vom Geruch verbrannter Erde und Felsen und dem stetigen Geräusch seiner Füße, die während ihres endlosen Laufs immer tiefer hinein in das Ödland auf den Boden klatschten. Die Nächte wurden inzwischen kürzer, da sie versuchten aufzuholen, nur ein paar Stunden schliefen und bereits vor Sonnenaufgang weiterliefen. Die Landschaft und der Vollmond schienen ihnen entgegenzukommen, aber Neb fragte sich insgeheim, ob Renards Bedenken wegen der Dunkelheit nicht deshalb nachgelassen hatten, weil er inzwischen immer besser darin wurde, über das zerklüftete Gelände zu laufen. Neb zweifelte nicht daran, dass der hagere Ödländer in der Vergangenheit durch viele mondlose Nächte gelaufen war.
    Sie liefen auf jeden Fall immer mehr, und seine Muskeln schmerzten nicht länger deswegen. Je weiter sie liefen, desto wärmer wurde es, bis Neb schließlich Schicht für Schicht seiner Kleidung ablegte und seine Haut von der Sonne zu einem schmutzigen Bronzeton verbrennen ließ.
    Sie hatten sich von Rufellos Höhle aus nach Süden gewandt und waren gelaufen, bis sie in Sichtweite der ausgedehnten Salzdünen gelangt waren, die die südlichste Küste kennzeichneten.
Dann waren sie nach Osten abgebogen und auf Isaaks Spur weitergelaufen.
    Ihre Tage verbrachten sie schweigend, wenn Renard nicht unterwegs etwas von Interesse erklärte. Nachts aßen sie, erschöpft vom Laufen, was immer Renard erlegen konnte, wenn sich Feuerholz finden ließ. Wenn nicht, gab es kein Fleisch, und sie begnügten sich mit ihren Späherrationen. Neb nutzte die Zeit, um zu beobachten und sich

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