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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Dinge einzuprägen. Er hatte bereits gelernt, wo man die Löcher mit bitterem Wasser fand, die unter der verheerten Oberfläche verborgen waren, und er hatte ein Dutzend Methoden erlernt, es heraufzuholen und zu behandeln, um es von jeglichem Wahnsinn und den Krankheiten zu befreien, die man davon bekommen konnte. Er hatte gelernt, wo man nährende Wurzel- und Dornenstücke fand und wie man die schwarze Wurzel erntete, die sie tagsüber kauten, für den Fall, dass er irgendwo strandete und ihm die mächtigen Erdmagifizienten ausgingen.
    Und er begriff, dass er inzwischen anders lernte. Was ihm einst am besten durch Bücher vermittelt worden war, behielt er inzwischen am schnellsten, wenn er es einfach beobachtete. Er war nicht sicher, weshalb, aber die Ödlande weckten eine Kraft in ihm, die er noch nie erlebt hatte. Sein Verstand war scharf, klar und ruhig. Sein Körper fühlte sich an wie eine Laute, die endlich richtig gestimmt war, und sein Schlaf, traumlos und tief, war erquickender, als er es je gekannt hatte.
    Dieser Ort verändert mich, und mir gefällt das, was er aus mir macht. Er spürte die Wahrheit, die in diesen Worten lag. Doch in einem Winkel seines Herzens erinnerte er sich an Winters, und diese Gedanken nagten an ihm.
    Sie liefen und liefen, und in der vierten Nacht, nachdem sie Rufellos Höhle verlassen hatten, hielten sie am Rand einer Schlucht an, die Renard zufolge den Kontinent teilte. Die Nacht hatte den tiefen Abgrund bereits verschlungen, aber wenn er von
seinem Rand aus nach Süden schaute, erblickte Neb das weite und gefährliche Meer östlich des Horns – Gewässer, die die ersten Siedler als die Geisterkämme bezeichnet hatten, weil es in ihnen spukte. Neb hatte Gerüchte über geheime Expeditionen dorthin gehört, die angeblich von den Androfranzinern finanziert worden waren, was jedoch sehr zweifelhaft war. Obwohl die Vernunft gebot, dass eine solche Reise möglich war, war die Geschichtsschreibung voll von Erzählungen über Schiffe, die in jenen Gewässern verschollen und den Geistern zum Opfer gefallen waren, die darin hausten.
    Renard wandte sich nach Norden, und Neb folgte ihm. Als die Sonne ganz verschwunden war und der Mond aufging, erreichten sie eine hohe, bogenförmige Brücke, die die Schlucht überspannte. Blaues und grünes Licht spiegelte sich darauf.
    Sie wurden langsamer und hielten an ihrem Fuß an.
    »Es heißt, dass einer der Jüngeren Götter von Y’Zirs Bannspruch geweckt wurde, als dieser die Welt abermals zerbrach. Sie sagen, dass er diese Brücke aufgestellt hat, um den wenigen Überlebenden zu helfen, damit sie ihren Weg nach Westen finden konnten.« Seine Stimme senkte sich, bis sie fast ein Knurren war. »Zumindest, bis die Androfranziner den Wall bemannt und das Tor für alles außer ihre eigenen Unternehmungen geschlossen haben.«
    Es war das erste Mal, dass Neb Bitterkeit in der Stimme des Mannes hörte. Er prägte es sich ein, erwiderte aber nichts. Stattdessen wies er mit dem Kopf auf die Brücke vor ihnen. »Wie lange ist es her, dass sie hier durchgekommen sind?«
    Renard lächelte. »Ein paar Stunden … wenn überhaupt. Wir sind wieder nahe dran.«
    Neb nickte, und sie setzten sich in Bewegung. Sie hatten gerade den Scheitelpunkt der Brücke überquert, als sie seltsame Geräusche ganz in der Nähe hörten. Sie verlangsamten ihren Schritt, Renard holte seine Dornenbüchse hervor und ging ein Stück
voraus. Als sie sich dem Geräusch näherten, sahen sie das düstere Bernsteinglühen flackernder Glasaugen und hörten das Pfeifen von Blasebälgen. Dünne Metallstimmen drangen an ihre Ohren.
    »Du musst der Vernunft Gehör schenken, Vetter, und jetzt mit deinen Gefährten umkehren«, sagte die erste Stimme. »Du bist nicht ermächtigt, über diesen geographischen Punkt hinaus zu reisen, wie folgende Mitteilung besagt: Unter der Heiligen Salbung erkläre ich die Länder jenseits von D’Anjites Brücke für geschlossen, unter Ring und Siegel, Introspekt III, Heiliger Stuhl des Androfranziner-Ordens und König mit Sitz in Windwir.« Die Stimme war tonlos und sachlich.
    Neb blinzelte in die Dunkelheit und sah die undeutlichen Umrisse am anderen Ende der Brücke. Das Mondlicht war nicht hell genug, um Genaueres zu erkennen, aber es war offensichtlich, dass der flüchtige Metallmann nicht mehr flüchtete. Mit den Füßen fest auf der anderen Seite der Schlucht verankert, stand er Isaak gegenüber, der auf dem letzten Abschnitt der Brücke stand.
    Neb und

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