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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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violette Band des Horizonts sinken würde. Als seine Aufforderung, ihn abzusetzen, keine Beachtung fand, begann Neb sich zu winden und zu strampeln, musste jedoch überrascht feststellen, dass auch seine größten Anstrengungen den Automaten kein bisschen aus dem Tritt brachten. Starke Metallhände bereiteten seinem Widerstand ein schnelles Ende und zwangen ihn zur Ruhe, während er auf den schwankenden Metallschultern ritt.

    Schließlich fand er sich mit seiner Situation ab und versuchte, es so einzurichten, dass er so wenig Prellungen wie möglich davontrug.
    Wenn er nicht döste, verbrachte er die Zeit damit, seine Gedanken durch die weite Landschaft aus Fragen wandern zu lassen, die sich vor seinem inneren Auge erstreckte. So vieles hatte sich in so kurzer Zeit zugetragen, dass ihm nach wie vor schwindelig davon wurde. Und die einzigen Worte, die der Mechoservitor für ihn erübrigt hatte, waren die paar Brocken an jenem ersten Tag gewesen, als Neb sich nach Isaak und Renard erkundigt hatte.
    »Sie sind funktionstüchtig«, hatte der Mechoservitor geantwortet. »Der Schaden ist gering, aber ausreichend, um unermächtigtes Reisen zu verhindern.«
    Daraufhin war Neb ein Gedanke gekommen. »Hätte ich sie nicht ermächtigen können?«
    Neb hatte den heißen Dampf an seiner Seite gespürt, der durch den Entlüftungsrost unter ihm entwich. Die dünne Stimme des Mechoservitors war herangedrungen, während seine Blasebälge arbeiteten. »Ermächtigung kann nur durch Ring und Siegel des Amtes des Heiligen Stuhls oder durch päpstliche Beauftragte unter der Heiligen Salbung seiner Exzellenz Introspekt III erteilt werden.«
    Darüber hinaus waren Nebs Fragen unbeantwortet geblieben, während sie flink über das felsige Gelände geschaukelt waren. Dennoch bearbeitete er sie hinter geschlossenen Augen weiter und wendete alle franzinischen Meditationen und Berechnungen an, die er kannte, um sich einen Reim auf die Geschehnisse machen zu können.
    Aus irgendeinem Grund war er dazu ermächtigt, hier zu sein, seine Begleiter jedoch nicht. Renard war sein ganzes Leben lang durch die Ödlande gelaufen, und der Metallmann hatte Isaak einen »Vetter« genannt – seltsam, dass es ihnen nicht gestattet
sein sollte, weiter vorzudringen. Offenbar bildete die Schlucht irgendeine Grenze, denn der Metallmann hatte sich tagelang – oder waren es schon Wochen? – fröhlich verfolgen lassen, bis er plötzlich an dieser Stelle angehalten hatte, um genau dort seine brutale Grenze zu ziehen.
    Und sowohl der Automat als auch Renard hatten dasselbe behauptet wie Winters vor inzwischen mehr als einem Jahr, indem sie ihn den Heimatsucher genannt hatten. Es erschreckte ihn, dass eine Maschine der Androfranziner Achtung vor den prophetischen Ausschmückungen des Mystizismus der Sümpfler hatte, obwohl er sich inzwischen mehr denn je zu diesem Titel berufen fühlte. Es war, als würde sich sogar hier, wo er keine Träume hatte, die Hoffnung auf die gelobte Heimat in ihm regen wie eine erwachende Schlange. Etwas in diesem verheerten Land rief ihn zu sich.
    Und wohin sind meine Träume verschwunden? Wieder spürte er den Schmerz des Verlustes. Nein , dachte er. Es ging nicht um seine Träume. Die eigentliche Frage, die nicht sonderlich weit unter der Oberfläche verborgen lag, verursachte ein Ziehen in seinem Magen.
    Wohin war Winters verschwunden?
    Zum letzten Mal hatte er von ihr in jener Nacht geträumt, in der sie unter dem Hochgipfel gelagert hatte, kurz bevor sie zum letzten Aufstieg aufbrach, um sich zu etwas auszurufen, für das sie sich noch nicht bereit fühlte. Er hatte die Fragen und Ängste in ihren Träumen gesehen und war absolut sicher gewesen, dass sie auch die seinen gesehen hatte. Und die Träume hatten sich so echt angefühlt. Allein durch die wenigen Augenblicke, die er mitten in der Nacht bei ihr verbrachte, konnte er ihren Geruch tagelang bei sich behalten. Er vermisste den Trost, den ihm diese Träume spendeten, was ihn wieder einmal zu der Frage führte, warum er an diesem Ort nicht träumen konnte.
    Es war kurz vor Sonnenuntergang am vierten Tag, als der
Mechoservitor schließlich aufhörte zu laufen und Neb auf dem Boden absetzte. Sie standen in einem hohlen Steinbecken. Genau in der Mitte war eine runde Platte aus dunklem Metall eingelassen, die durch mehrere Rufelloschlösser fest im Granit verankert war. Sie war vom Wetter gegerbt, aber der Stein darum herum war weit stärker verwittert als das alte Metall. Um sie herum,

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